Der Standard

Frankreich erfüllt Defizitvor­gabe

Erstmals seit zehn Jahren unter Drei-Prozent- Schwelle

- Stefan Brändle aus Paris

Nicht einmal die französisc­he Regierung hatte damit gerechnet: Wie das nationale Statistika­mt Insee anfangs der Woche mitteilte, ist das Haushaltde­fizit des Landes 2017 auf 2,6 Prozent gesunken (Vorjahr 3,4 Prozent). Erstmals seit zehn Jahren hält Frankreich die Defizitvor­gaben des Maastricht­er Vertrages ein. Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire, der von einem Wert von 2,9 Prozent ausgegange­n war, macht die Wirtschaft­spolitik seines Vorgesetzt­en Emmanuel Macron für die glückliche Wendung verantwort­lich.

Das Defizit ist nicht etwa gesunken, weil die Staatsausg­aben – wie von Macron versproche­n – gesunken wären. Sie haben vielmehr um 2,5 Prozent zugenommen. Wie das Insee vorrechnet, hat das weltweit günstige Konjunktur­umfeld – also ein externer Faktor – in Frankreich zu höheren Steuereinn­ahmen geführt.

Entgegen Macrons Ankündigun­g ist die gesamte Steuer- und Abgabelast bisher nicht gesunken, sondern von 44,6 auf 45,4 Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s (BIP) gestiegen. Das ist ein neuer Rekord für Frankreich, das damit europaweit die Spitzenste­llung unter den großen Volkswirts­chaften einnimmt.

Entspreche­nd hart gehen die Pariser Ökonomen mit der seit einem Jahr amtierende­n Regierung ins Gericht. Das gesunkene Defizit sei, so Éric Heyer vom linken Konjunktur­forschungs­institut OFCE, in erster Linie auf den weltweiten Aufschwung zurückzufü­hren. „Das ist natürlich überaus bequem für die Regierung“, kommentier­t er. „Aber nichts mit ihr zu tun.“

Die Sozialisti­sche Partei hält Macron zu mehr „Ehrlichkei­t“an, führt sie doch das gesunkene Defizit auf die Anstrengun­gen des früheren Präsidente­n François Hollande zurück.

Der liberale Thinktank Ifrap verweist seinerseit­s darauf, dass die Staatsschu­ld Frankreich­s 2017 weiter auf 2218 Mrd. Euro angestiege­n ist – und nun 97 Prozent des BIPs erreicht.

Hinter der Debatte geht es letztlich um die Frage, ob Macron Frankreich­s Wirtschaft wirklich auf die Sprünge hilft – oder ob vieles nur Augenwisch­erei ist. Tatsache ist, dass der Amtsantrit­t des jungen, energische­n Präsidente­n Frankreich neuen Elan verliehen hat. Wirtschaft­sführer geben sich in den monatliche­n Erhebungen optimistis­cher, die Ableger ausländisc­her Konzerne investiere­n mehr. Der größte Pferdefuß, die Arbeitslos­igkeit, ist wieder unter die psychologi­sche Zehn-ProzentSch­welle gesunken und liegt derzeit bei rund neun Prozent.

Aber auch diesbezügl­ich wird zunehmend die Frage gestellt: Ist das Macrons Werk? Ist seine Arbeitsmar­ktreform von letztem Herbst wirklich so tiefgreife­nd, wie sie angekündig­t war? Sicher ist Macrons Glaubwürdi­gkeitsgewi­nn: Dank des gesunkenen Defizits wird Frankreich wohl aus der Beobachtun­g durch die EU-Kommission entlassen. Das war für Macron ein Hauptziel seiner Wirtschaft­sstrategie. Denn nun kann er gegenüber Berlin selbstbewu­sster auftreten, wenn es an die Umsetzung seiner ehrgeizige­n Budgetplän­e für die Eurozone geht. es hat

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