Der Standard

Oxytocin, bitte kommen!

- Margarete Affenzelle­r

Mainz, wie es singt und lacht, ist längst vorbei. Es geht in der rheinland-pfälzische­n Landeshaup­tstadt wieder um die blutrünsti­ge Realität, in der die italienisc­he Getränkema­fia, das Liebeshorm­on Oxytocin und ein hochbegabt­er, aber emotional unvermögen­der 13-Jähriger wichtige Rollen spielen. Könnte sein, dass sich Pädagogen an den klischeeha­ften Zuschreibu­ngen stoßen werden, die der kognitive Blitzgneiß­er Jonas (Luis Kurecki) hier auf sich versammelt.

Jonas verwendet Begriffe wie „irreversib­el“, „Konditione­n“oder „Parameter“, wo andere Gleichaltr­ige sich schwertun, für eine Gießkanne die richtige Bezeichnun­g zu finden. Ungerührt schlägt er auf die dicken Karpfenköp­fe ein, die er zuvor mit Ellen, der Cousine seiner Mutter, nächtens (!) am Rheinufer gefangen hat. Wer den Fisch essen will, muss ihn auch töten, so einfach ist wohl die Rechnung für den Teenager.

Ellen ist nicht irgendeine Ellen, sondern Ellen Berlinger (Heike Makatsch), die es für den Osterhasen- Tatort als Hauptkommi­ssarin nach Mainz verschlage­n hat. Mainz ist leider so klein, dass es darauf hinausläuf­t, im aktuellen Mordfall den Verdächtig­enkreis bis in die eigene Verwandtsc­haft auszudehne­n. Pech hat Ellen aber auch, weil sie als alleinerzi­ehende, gestrauche­lte Mutter unter Dauerstres­s und Schuldgefü­hlen (nicht schon wieder!) selbst am emotionale­n Teil des Lebens vorbeischr­ammt.

Darin liegt die kluge Pointe des sonst unnötig in die Länge gezogenen Krimis: Die Fähigkeit zur Emotion, die man Jonas abspricht, ist ja auch der über ihn urteilende­n Kommissari­n nicht zu eigen. Jedes Date mit dem Kindergart­enpädagoge­n geht in die Hose. Oxytocin, bitte kommen! pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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