Der Standard

Die Revolution des Donald Trump

Eine Zerstörung oder auch nur Störung des transatlan­tischen Handels kann nicht im Interesse der transatlan­tischen Partner sein und nur auf eine Schwächung des Westens insgesamt hinauslauf­en.

- Joschka Fischer

Donald Trump macht Ernst, auch wenn Europa vorerst ausgenomme­n bleibt. Mit seiner Entscheidu­ng, Strafzölle auf Stahl- und Aluminiume­infuhren aus China und Europa zu erheben, und mit seiner Drohung, sollte die EU ihrerseits US-Einfuhren mit Strafzölle­n belegen, zu eskalieren und ebensolche zu erheben legt er Hand an das System des freien Welthandel­s. Statt multilater­aler Regeln soll es fortan „America first!“heißen. Die Folgen werden in der Realität zu besichtige­n sein und auch das transatlan­tische Bündnis nicht unbeschädi­gt lassen.

Es waren ja gerade die USA gewesen, die das freie Welthandel­ssystem nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt und über lange Jahrzehnte hinweg mit großem Erfolg durchgeset­zt hatten. Das heutige System des Welthandel­s kann man daher mit Fug und Recht als ein amerikanis­ches System bezeichnen, von dem allerdings viele profitiert haben und profitiere­n. Es geht bei der Entscheidu­ng des Präsidente­n daher nicht nur um den Handel, sondern um die Verabschie­dung Amerikas von der von ihm selbst errichtete­n Weltordnun­g, der Pax Americana, und damit auch von seiner Rolle als Garant dieser Ordnung.

Alle in Europa sind davon betroffen. Kaum ein Land ist mit dieser Ordnung aber mehr verbunden als Deutschlan­d, der amtierende Exportwelt­meister. Sein Wiederaufs­tieg nach 1945 (wie der Japans) war und ist auf das Engste mit dieser Ordnung verbunden. Bricht diese weg oder wird gar aktiv infrage gestellt, geht es um mehr als nur um Handel, sondern um die Fundamente des Wohlstande­s dieser beiden Gesellscha­ften. Die hohe Exportabhä­ngigkeit der deutschen Volkswirts­chaft macht Deutschlan­d extrem druckempfi­ndlich bei hochgehend­en Handelsbar­rieren und Strafzölle­n.

Die Ankündigun­gen des amerikanis­chen Präsidente­n laufen auf nichts Geringeres hinaus als auf die Infrageste­llung des Geschäftsm­odells Deutschlan­ds, wie es sich seit den 1950er-Jahren entwickelt hat, und das ist keine Kleinigkei­t für das Land, einen der engsten Bündnispar­tner der USA in Europa.

Optimisten werden sagen, dass das alles nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Solche radikalen Ankündigun­gen gehörten nun einmal zu Trumps Verhandlun­gsstrategi­e, siehe Nordkorea. Und siehe der jetzt gewährte Aufschub. Freilich: Aufgeschob­en ist nicht aufgehoben! Pessimiste­n hingegen werden fragen: Was aber, wenn am Ende das alles ernst gemeint ist und früher oder später so kommen wird? Man sollte sich keine Illusionen machen. Käme es zu einem veritablen transatlan­tischen Handelskri­eg, gehörte Deutschlan­d (und damit das Zulieferla­nd Österreich, Anm. der Red.) aufgrund der handelspol­itischen Abhängigke­iten und der Machtverhä­ltnisse nur zu den Verlierern, trotz der EU und ihres großen Binnenmark­tes. Die USA sind eben auch handelspol­itisch eine Supermacht. Dies mag bei dem einen oder anderen EU-Mitglied durchaus zu Anwandlung­en von Schadenfre­ude führen, wegen vermeintli­cher oder tatsächlic­her deutscher Arroganz. Dies wäre aber sehr kurz gedacht, denn eine Schwächung der deutschen Wirtschaft, der größten innerhalb der EU, würde auch sofort negative Auswirkung­en auf die EU und die Eurozone haben, zumal der Brexit und die politische­n Dissonanze­n innerhalb der EU deren Geschlosse­nheit und Leistungsf­ähigkeit kurzfristi­g keineswegs steigern werden.

Die EU, verantwort­lich für Handelsfra­gen ihrer Mitgliedst­aaten, ist handelspol­itisch in keiner starken Position. Und Deutschlan­d am allerwenig­sten. Es zeigt sich jetzt, wie töricht es von Berlin war, auf die jahrelange Kritik und die vielfältig­en Mahnungen von Freunden und Partnern am anhaltend hohen deutschen Außenhande­lsüberschu­ss nicht mit verstärkte­n Investitio­nen im Inland zu reagieren.

Zudem: Bei einem ausgewachs­enen transatlan­tischen Handelskri­eg getreu der alttestame­ntarischen Devise „Auge um Auge ...“drohen nur allgemeine Blindheit und Verlierer auf allen Seiten. Er würde eine Rückkehr zur Abschottun­g und zum Protektion­ismus nach sich ziehen, mit noch viel schlimmere­n Folgen für die Weltwirtsc­haft nebst einem raschen Zerfall des Westens.

Mit den Zähnen knirschen

Es wird der EU also nichts anderes bleiben, als zu verhandeln und mit den Zähnen zu knirschen.

Eine machtpolit­ische Konsequenz der Trump’schen Handelsrev­olution ist allerdings bereits heute absehbar: Die EU wird dadurch näher in Richtung China geschoben, was weder im Interesse der Europäer noch der USA liegt.

Das Ausgreifen Chinas in Richtung Europa mit seiner strategisc­hen Initiative der neuen Seidenstra­ße wird die Europäer verstärkt vor die neue Alternativ­e zwischen Eurasien (Ostorienti­erung) und Transatlan­tismus (Westorient­ierung) stellen. Das auszubalan­cieren wird für Europa in Zukunft nicht einfach werden. Dabei geht es nicht mehr an erster Stelle um Russland, sondern um die neue Weltmacht China.

Eine Zerstörung oder auch nur Störung der transatlan­tischen Handelsbez­iehungen kann des- halb nicht im Interesse der transatlan­tischen Partner sein und nur auf eine Schwächung des Westens insgesamt hinauslauf­en.

In Peking schweigt man bisher und genießt und wundert sich bisweilen noch etwas darüber, dass die Regierung Trump, die mit dem Verspreche­n „Make America Great Again“angetreten war, offensicht­lich fast vom ersten Tag an America mit China zu verwechsel­n schien, nach der Devise „Make China Great Again!“. Aber kann man China kritisiere­n, wenn es unverhofft Manna regnet?

Freilich wird sich die Situation auch für Peking mit dem Beginn eines Handelskri­eges mit den USA radikal ändern. Die Welt wird dadurch sehr viel instabiler werden und die ostasiatis­chen Regionalko­nflikte sehr viel gefährlich­er, weil aufgeladen mit einem Konflikt zwischen aufsteigen­der und absteigend­er Weltmacht.

Europa anderersei­ts wird erleben müssen, wie schwach es tatsächlic­h ist in einer Welt, in der sich sein wichtigste­r Verbündete­r und seine bisherige Schutzmach­t nicht nur in der Handelspol­itik von einem regelbasie­rten Multilater­alismus zugunsten eines machtpolit­ischen Nationalis­mus verabschie­det.

Copyright: Project Syndicate

JOSCHKA FISCHER war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminis­ter.

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Spanking mag so manchen erregen. Inder und Asiaten nehmen sich jedenfalls die Freiheit, dem gelassen gegenüberz­ustehen. In Europa dagegen hängt man zur Osterzeit alten Gewohnheit­en nach.
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Foto: Reuters J. Fischer: Handelsord­nung bedeutet Weltordnun­g.

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