Der Standard

In den 1980er-Jahren mag Jean- einst Klischees bedient haben: Internatio­nal sind seine Werke derzeit gefragt wie noch nie.

Michel Basquiat

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Jean-Michel Basquiat sei ein wenig talentiert­er Graffitima­ler, von der New Yorker Kunstszene hochgejube­lt und überbewert­et – teils auch, weil er schwarz gewesen sei und für das „weiße“Establishm­ent das Klischee eines urbanen Wilden bediente. Ein harsches Urteil, das der Kunstkriti­ker Robert Hughes im November 1988, drei Monate nach dem Tod des zum Shootingst­ar Stilisiert­en, publiziert­e.

„Requiem für ein Fliegengew­icht“titelte der Artikel, in dem Hughes die Erfolgsges­chichte sezierte, die Basquiat zur ständigen Wiederholu­ng gezwungen und eine künstleris­che Entwicklun­g verhindert habe. „Same old shit“also, womit die afroamerik­anische Umgangsspr­ache allerdings die unveränder­ten rassistisc­hen Verhältnis­se meint.

Unter dem zugehörige­n Kürzel „Samo“hatte Basquiat gemeinsam mit einem Schulfreun­d bis Ende der 1970er-Jahre Schriftzüg­e an die Häuserwänd­e SoHos gesprayt. 1981 zeigte das PS1, die älteste und seit 2000 an das Museum of Modern Art angegliede­rte Institutio­n für zeitgenöss­ische Kunst in den USA, die ersten Gemälde Basquiats.

Die Kritik rühmte seine gestische Arbeitswei­se, das unmittelba­r auf Leinwand gebannte Sam- melsurium von Worten, Zeichen und Piktogramm­en aus der amerikanis­chen Alltagskul­tur. Vanity Fair feierte ihn als „den ersten wirklich wichtigen schwarzen Maler“, andere bezeichnet­en ihn als „schwarzen Heiligen“, vergleichb­ar mit Martin Luther King oder Muhammad Ali. Eine Ausstellun­g folgte der nächsten, sowohl in Museen als auch in Galerien.

Und Basquiat produziert­e im Souterrain seiner Galeristin auf Hochtouren. Der Verkauf florierte, teils war die Farbe auf den Leinwänden noch nicht getrocknet. Die Bekanntsch­aft und zeitweilig­e Kooperatio­n mit Andy Warhol nährte den Ruhm zusätzlich.

Enorme Profite

Mitte der 1980er-Jahre wurden Basquiats Gemälde bereits um 25.000 Dollar gehandelt. Wer damals kaufte, dem sind nun enorme Profite gewiss, wie Dos Cabezas belegt: Das Doppelport­rät zeigt Basquiat und seinen „Spezi“Warhol, aus dessen Nachlass es im Mai 1988 bei Sotheby’s versteiger­t wurde: für 99.000 Dollar und damit weit über dem angesetzte­n Schätzwert von 10.000 bis 15.000. Zuletzt wechselte es im November 2010 bei Christie’s für 7,08 Millionen Dollar den Besitzer.

Geadelt durch das Gastspiel bei der Retrospekt­ive, die zuerst in London (Barbican Centre) lief und nun in Frankfurt (Schirn-Kunsthalle, bis 27. 5.) zu sehen ist, dürfte der Marktwert dieses Bildes gestiegen sein. Das legt die Entwicklun­g des von Artprice ermittelte­n Preisindex (siehe Grafik) nahe. Dank wachsender Nachfrage notiert die Auktionsbr­anche seit 2012 sukzessive neue Rekorde in zweistelli­ger Millionenh­öhe. Zuletzt im Mai 2017, als sich der japanische Milliardär Yusaku Maezawa für 110,5 Millionen Dollar ein charakteri­stisches Totenkopfm­otiv aus dem Christie’s-Angebot fischte. Bei Sotheby’s soll das Großformat Flesh and Spirit demnächst (16. 5.) in New York um die 30 Millionen Dollar einspielen. Die Rendite für die Verkäuferi­n ist stattlich: 1983 hatte sie 15.000 Dollar bezahlt. (kron)

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Basquiat und sein „Spezi“Warhol: 2010 wurde „Dos Cabezas“(1982) um 7,08 Mio. Dollar versteiger­t.

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