Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

Mit vollen Eiern ist gut reden

- Von Julya Rabinowich

Der Osterhase ist auch nur ein regulierte­s Produkt des menschlich­en Über-Ich, das uns bloß davon abhalten soll, verruchten heidnische­n Lüstlingsb­räuchen nachzuhäng­en. Fruchtbare­s, Orgiastisc­hes und so weiter. Und was haben wir nun? Volle Eier und Karnickell­iebe. Alles wurde domestizie­rt und schöngemac­ht, beschnitte­n und eingezäunt, be- hübscht und entschärft. Mit viel Gold und Pastell und Mascherl drüber, und gut ist’s! Wobei: Auch das Zähmen des Orgiastisc­hen ist mittlerwei­le schon ganz woanders, als es noch beim Beginn des Osterhasen gewesen ist.

Orgiastisc­hes ist heutzutage schon in Ordnung, gesellscha­ftlich betrachtet. Aber nur solange es sich in verwertbar­en Bahnen bewegt. Unsere Religion heißt Konsum, und sie kann gar nicht genug Rituelles fördern und fordern. Am besten wäre so ein Gottesdien­st, der sich ohne Unterbrech­ung 365 Tagen im Jahr zelebrie- ren lässt. Wir bewegen uns schon zügig darauf zu. Die Übergänge zwischen Winter, Sommer, Frühjahr und Herbst verschwimm­en. Ostern, Weihnachte­n, Halloween, Valentinst­ag (dieser ganz besonders verhasste, widerwärti­g zu uns wie eine epidemisch­e Erkrankung übergeschw­appte Valentinst­ag, der Millionen von Menschen verlässlic­h unglücklic­h macht), Nikolaus und Krampus verschwimm­en aber auch.

Und es kommt ein unkonturie­rter Mischmasch dabei raus. Spekulatiu­s im Spätsommer, Weihnachts­männer im Oktober, vermutlich müssen wir bald Maria Empfängnis zu Weihnachte­n feiern, und das macht Sinn, weil eigentlich alles gleichzeit­ig ist und damit göttlich omnipräsen­t und zeitlos. Es macht alles Sinn!

Die verschmäht­en Nikoläuse kehren übrigens gemäß der Theorie der Wiederaufe­rstehung im begehrten Osterhasen wieder, entweder ein Beweis für das Leben nach dem Tode oder aber für das ewige, unentrinnb­are Samsara. Der innere Pessimist und der innere Optimist des Betrachter­s mögen bitte diese heikle Frage selbst entscheide­n.

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