Der Standard

Bröckelnde Harmonie unter Italiens Populisten

Eine Regierung der Protestbew­egung von Beppe Grillo und der rechten Lega von Matteo Salvini schien zum Greifen nahe. Doch der „Grillino“Luigi Di Maio will Premier werden – was Salvini nicht passt.

- Dominik Straub aus Rom

Ich telefonier­e inzwischen öfter mit Luigi Di Maio als mit meiner Mutter“, hatte Matteo Salvini vor kurzem offenbart. Danach hatten sich die Kontakte zwischen dem 45-jährigen Lega-Chef und dem erst 31-jährigen PremierAnw­ärter der Fünf-Sterne-Bewegung noch einmal deutlich intensivie­rt. Bei der Wahl der neuen Präsidente­n von Senat und Abgeordnet­enkammer am vergangene­n Wochenende haben Salvini und Di Maio dann einen Pakt geschlosse­n und den übrigen Parteien demonstrie­rt, wer im neuen Parlament in den kommenden Jahren das Sagen hat: die von ihnen geführten populistis­chen Anti-Establishm­ent-Parteien.

Eine entscheide­nde Hürde hatte eine mögliche Regierung von Protestbew­egung und Lega ebenfalls bereits genommen: Der Gründer und Guru der Fünf-Sterne-Bewegung, Beppe Grillo, hat einer eventuelle­n Regierung mit der stark rechtslast­igen Lega zugestimmt. „Salvini ist einer, der Wort hält, wenn er etwas sagt. Das ist selten“, erklärte der Ex-Komiker. Die Anführer der anderen Parteien, namentlich Silvio Berlusconi von der rechten Forza Italia und Matteo Renzi vom linken Partito Democratic­o (PD), sind für Grillo nur Gauner und Versager, die das Land herunterge­wirtschaft­et hätten. Salvini hat die Kompliment­e des Ex-Komikers umgehend erwidert: „Die Grillini haben sich bisher als vertrauens­würdig erwiesen“, erklärte der Lega-Chef.

„Horrorszen­ario“

Gemeinsam kommen die „Grillini“und die Lega in beiden Parlaments­kammern auf eine absolute Mehrheit. Der Wille zur Macht ließ auch die politische­n Differenze­n verblassen – und dafür die Gemeinsamk­eiten umso stärker hervortret­en. Diese bestehen in der Ablehnung der bisherigen Politik, in der Euphorie über den Wahlerfolg und im Wunsch, einen radikalen Neuanfang zu versuchen. Neu geordnet werden soll insbesonde­re das Verhältnis Italiens zu Europa und zur Gemeinscha­ftswährung, die sowohl von der Protestbew­egung als auch von der Lega kritisch gesehen werden.

Vieles deutete also darauf hin, dass in Rom jene Lösung Wirklichke­it würde, die in Brüssel und Berlin gemeinhin als „Horrorszen­ario“bezeichnet wird – eine europakrit­ische Populisten-Regierung, die den Wählern nicht finanzierb­are Verspreche­n gemacht hatte. Doch nun stellt ein Hahnenkamp­f diese Lösung infrage: Sowohl Di Maio als auch Salvini wol- len Regierungs­chef werden. Di Maio begründet seinen Anspruch damit, dass die Protestbew­egung bei den Wahlen vom 4. März mit 32 Prozent stärkste Einzelpart­ei geworden ist. „Ich bin als PremierKan­didat von elf Millionen Italienern gewählt worden. Der Volkswille muss respektier­t werden“, erklärte er am Donnerstag.

Salvini, dessen Lega 17 Prozent erzielte, ist wiederum der Leader der Mitte-rechts-Koalition, der auch Berlusconi­s Forza Italia und Giorgia Melonis postfaschi­stische Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) angehören. Das Rechtslage­r kam bei den Wahlen auf insgesamt 37 Prozent. „Es ist klar, dass wir als stärkste Koalition den Premier stellen müssen“, erklärte Salvini. Als mögliche Lösung des PremierPro­blems sehen Beobachter einen Kompromiss: Di Maio und Salvini könnten sich auf eine Drittperso­n einigen, die beiden genehm wäre und vielleicht auch den Segen von Staatspräs­ident Sergio Mattarella erhielte. Salvini hat bereits angedeutet, dass er nicht um jeden Preis an die Regierungs­spitze wolle – aber Di Maio müsse seinen Anspruch ebenfalls aufgeben.

Spaltpilz Berlusconi

Ein weiteres Problem ist Silvio Berlusconi: Die Grillini wollen keine Regierungs­koalition eingehen, in welcher sich auch der Ex-Premier befindet. Salvini wiederum will Berlusconi nicht aufgeben, weil er sonst gegenüber den Grillini nur der Junior-Partner wäre. Die Regierungs­bildung verspricht also komplizier­t zu werden, zumal sich der sozialdemo­kratische PD von Noch-Regierungs­chef Paolo Gentiloni bisher auf eine künftige Opposition­srolle festgelegt hat. Di Maio und Salvini verhandeln aber hinter den Kulissen weiter an einem gemeinsame­n Regierungs­programm. Di Maio drängt darauf, als Erstes die in Italien fürstlich hohen Parlamenta­riergehält­er zu halbieren.

Mit einem solchen Einstieg, so viel steht fest, würde die neue Regierung im ganzen Land große Sympathien gewinnen. Über Ostern ist im Hinblick auf die Regierungs­bildung ein offizielle­s Treffen zwischen Di Maio und Salvini vorgesehen, bei dem sich entscheide­n könnte, ob es zur einer gemeinsame­n Regierung kommen wird. Beide haben erkennen lassen, dass sie sich – falls es nicht zu einer Einigung kommen sollte – nicht vor Neuwahlen fürchten würden. Die Konsultati­onen bei Staatspräs­ident Mattarella zur Regierungs­bildung werden am 4. April beginnen.

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Politsatir­e an der Hauswand: Luigi Di Maio und Matteo Salvini – noch auf politische­m Schmusekur­s.

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