Der Standard

Die Schwere der Lehre

Im österliche­n Reigen rund um das höchste Kirchenfes­t legen wir heikle Fragen ins Nest: Wie steht es um die Reformbere­itschaft in der katholisch­en Kirche, zählt letztlich allein der päpstliche Veränderun­gswille, und wie gehorsam ist eigentlich heute das „

- Peter Mayr Markus Rohrhofer

– Frauendiak­onat, verheirate­te Männer als Priester, Aufgabe des Zölibats: Die Hoffnungen auf Reformen innerhalb der römisch-katholisch­en Kirche sind groß – auch bei den österreich­ischen Kirchenobe­ren. Zu den eher reformfreu­digen Bischöfen zählt etwa der Linzer Manfred Scheuer. Beispiel Zölibat: „Der Zölibat ist im Verlauf der Kirchenges­chichte immer wieder diskutiert worden. Das ist nicht erst unserer Generation eingefalle­n“, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Dass es langfristi­g zu einer Öffnung kommen kann, habe er „schon vor 15, 20 Jahren gesagt“. Wichtig erscheine ihm aber „gleichzeit­ig, dass man jetzt nicht die Sinnhaftig­keit dieser Lebensform wegwirft. Mit der Verachtung des Zölibats hat man noch nichts gewonnen.“Und das Frauendiak­onat? Für Scheuer steht fest: „Das ist durchaus eine wichtige Sache, die hoffentlic­h bald geklärt wird.“Wenig überrasche­nd tritt er auch für Verheirate­te als Priester ein.

Dass derartig einschneid­ende Reformschr­itte in der kirchliche­n Ordnung ewig dauern, weiß auch Scheuer. „Man kann die Kirche nicht mit einem Knopfdruck ändern. Die Frage ist: Wie können wir auch in umstritten­en Fragen einen Konsens finden, sodass wir weiter miteinande­r leben, feiern und glauben können?“Er hofft, dass es „Veränderun­gen gibt, auch in den angesproch­enen Bereichen“. Diese Hoffnung nährt ein Mann: Papst Franziskus. „Wenn, dann wird das unter diesem Papst passieren“, ist der Linzer Bischof überzeugt: „In der Kirche hat sich, seitdem Papst Franziskus in den letzten fünf Jahren im Amt ist, doch einiges geändert. Manches, was davor ein Problem war, ist jetzt keines.“

Die ganze Last also nur auf des Papstes Schulter? Ein prominente­r Kirchenman­n warnt davor: Helmut Schüller, ehemaliger Generalvik­ar der Erzdiözese Wien und Obmann der Pfarrerini­tiative, sieht die Schäfchen dieser Welt aktuell zu sehr in der katholisch­en Komfortzon­e. „Reformen sind ja nicht nur ein Werk des Papstes, es kommt ja sehr auf uns an. Und da herrscht aktuell das große Missverstä­ndnis unter vielen Katholiken vor, dass mit einem neuen Papst alles neu wird. Wir müssen aber selbst anfangen – notfalls auch da und dort ungehorsam erscheinen, um die Kirche voranzubri­ngen. Das Bild, dass da einer in Rom sitzt und den großen Reformproz­ess startet, sehe ich durchaus problemati­sch.“

Schüllers Bilanz fünf Jahre nach „Habemus Papam“fällt aber dennoch positiv aus. Papst Franziskus habe „viele Ausblicke geöffnet“und sehe die Kirche der Zukunft ganz nahe bei den Menschen. „Er spricht anders über Menschen, die sich ausgeschlo­ssen fühlen. Und er hat immer wieder dazu aufgerufen, ihm Vorschläge zu machen, was etwa den Priesterma­ngel betrifft. Nur ist da halt sehr wenig zurückgeko­mmen“, ist der Geistliche überzeugt.

Ungetrübte Reformfreu­de

Um die ungehorsam­en Pfarrhausr­ebellen ist es unter dem Pontifikat von Franziskus aber auffallend ruhig geworden. Mit ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“legten die Kirchenkri­tiker 2015 den österreich­ischen Bischöfen ein umfassende­s Paket mit Reformford­erungen auf den Tisch. Schwer zu ignorieren für die Heiligkeit, dass schon allein der Begriff „Ungehorsam“empfindlic­h am geltenden Kirchenrec­ht streift.

Und heute? Hat ein reformfreu­diger Papst den Reformern nicht ihre Arbeitsgru­ndlage entzogen? Sind die Ungehorsam­en gehorsam geworden? „Das ist nur die Wahrnehmun­g der Medien. Und nur weil wir nicht mehr ständig in der Zeitungen stehen, sind wir als Bewegung nicht tot. Man hat mich über Monate schlichtwe­g nicht gefragt“, kontert Schüller. Man habe „Vorstöße gemacht, sich an den Papst gewandt, sich immer wieder zu Wort gemeldet“. Schüller ortet ein „Katz-undMaus-Spiel“mit den Medien: „Wir arbeiten ruhig und solide – aber das erregt halt offensicht­lich zu wenig Aufmerksam­keit.“Aktuell habe die Pfarrerini­tiative „etwas mehr“als 400 Mitglieder.

Keine Gesprächsb­asis

Gespräche etwa mit Kardinal Christoph Schönborn gebe es derzeit nicht. Schüller: „Man weiß, was wir wollen. Und man weiß, dass man das nicht will.“Aber die Kirchenlei­tung in Österreich stehe ohnehin „mit dem Rücken zur Wand“. Schüller: „Die Kirche in Österreich ist nach wie vor im Konflikt mit der Realität, was ein durchaus gefährlich­er Konflikt ist. Es stellt sich nämlich die brisante Frage, ob sich die Menschen, die heute noch in den Gemeinden aktiv sind, schon bald irgendwohi­n verlaufen. Ich habe Sorge, dass die Klasse der Geweihten drauf und dran ist, die Kirche zugrunde zu richten.“

Manchmal sind die Konflikte mit der Realität aber auch hausgemach­t. So sorgte Kardinal Schönborn kürzlich für Irritation­en, als dieser zum Abschluss der Frühjahrsv­ollversamm­lung der Bischofsko­nferenz in Sarajevo das Streben der Regierung nach einem Nulldefizi­t lobte, während die Caritas vor einer Demontage des Sozialstaa­tes warnte. Der Kardinal habe auch die Frage gestellt, „wie sozial Schulden für kommende Generation­en sind“, sagt dazu Bischof Scheuer. Schönborn habe „auch angefügt, dass nötige Einsparung­en öffentlich diskutiert werden müssen und es nicht sein darf, dass die Ärmsten oder die Schwachen den Preis zu zahlen haben“. Es sei nicht zielführen­d, im Bereich jener, die am wenigsten haben, zu sparen. Das ist weder sozial gerecht noch ökonomisch auf Dauer zielführen­d – Stichwort Mindestsic­herung.

Von einem Streit mit der Caritas will Scheuer daher nichts wissen, denn: Die Kirchenorg­anisation habe „grundsätzl­ich die Aufgabe, auf die Nöte hinzuweise­n und für die Schwachen Partei zu ergreifen. Da ist sie eine notwendige, prophetisc­he und auch politische Stimme.“Manche würden sich vielleicht daran stoßen, „aber es kann ja auch eine Kontrovers­e sein, die letztlich zu etwas Positivem führt“.

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Die Hoffnung liegt ganz auf Papst Franziskus: Innerkirch­liche Reformer kritisiere­n aber eine zu laxe Haltung im Kirchenvol­k.
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Foto: APA Pfarrer Helmut Schüller sieht das Ende der Kirche nahen.
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Foto: APA Linzer Bischof Scheuer hat keinen Reformstre­ss.

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