Der Standard

„Uber versucht, dem Fahrer seinen Lohn zu rauben“

Der Taximarkt ist rigide reguliert – die Tarife sind in vielen Regionen Österreich­s behördlich vorgegeben. Gibt es da überhaupt Wettbewerb? Ja, sagt Taxi-40100-Chef Christian Holzhauser. Er warnt, dass durch Uber in Europa ähnliche Verhältnis­se entstehen

- INTERVIEW: András Szigetvari

STANDARD: Ist das Taxigewerb­e ein Kartell, und Sie sind so etwas wie einer der großen Kartellbos­se?

Holzhauser: Der Taxivermit­tlungsmark­t ist ein natürliche­s Oligopol. Es gibt viele Kunden und im Vergleich dazu wenige Anbieter. Warum ist das so? Ein Unternehme­r mit einem oder zwei Wagen kann nicht ganz Wien bedienen, kann keine geringen Wartezeite­n auf ein Taxi garantiere­n und hätte womöglich viele Leerfahrte­n, weil er keinen großen Kundenstoc­k hat. Das heißt, es braucht eine gewisse Größe, um die ganze Stadt abzudecken. Dabei war die Konkurrenz am Wiener Markt im internatio­nalen Vergleich immer schon recht hoch. Es hat einst drei große Taxifunkze­ntralen gegeben. Heute gibt es in Wien uns, Taxi 31300, Mytaxi (deutsche Taxi-Bestell

App) als große Player am Markt und Uber, das aber Mietwagen vermittelt. Daneben gibt es Taxis ohne Anbindung an ein Funknetz. Es gibt also reichlich Wettbewerb.

STANDARD: Und Preisabspr­achen. Ein Beispiel: Die verschiede­nen Unternehme­n verlangen alle von Wien bis zum Flughafen Schwechat 36 Euro. Das ist nirgends gesetzlich festgelegt. Wie gibt es das?

Holzhauser: Wir haben als Taxi 40100, als größtes Unternehme­n in der Branche, unseren Preis zum Flughafen festgesetz­t, worauf andere Unternehme­n uns nachgezoge­n sind. Das ist vom Kartellger­icht auch überprüft worden. Preisabspr­achen gab es da keineswegs, wir haben uns richtig verhalten.

STANDARD: Wozu braucht es im 21. Jahrhunder­t behördlich festgesetz­te Taxitarife? Warum sollen sich Kunden und Taxifahrer nicht einfach einen Preis aushandeln?

Holzhauser: Die festgelegt­en Tarife dienen dem Konsumente­nschutz. Sie sollen zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Taxi zu einem transparen­ten Preis bekommen. Wenn Sie in der Nacht zum Taxistandp­latz kommen, es in Strömen regnet, sie nach Hause müssen und nur ein Taxi dasteht, kann er von Ihnen trotzdem nicht mehr Geld verlangen. Das Taxi ist in der Stadt dadurch Teil der Daseinsvor­sorge, weil es einen Lückenschl­uss zum öffentlich­en Verkehr vollzieht. Wenn Sie so wollen, ist der einheitlic­he Taxitarif gleichzuse­tzen mit den einheitlic­hen Ticketprei­sen für Öffis. Genauso gut können Sie ja dann sagen: Warum gibt es bei den Wiener Linien immer einen Ticketprei­s? Das könnte ja auch frei fließend sein.

STANDARD: Früher war man einem vorbeifahr­enden Taxifahrer ausgeliefe­rt. Heute kann ich jederzeit via App ein Taxi oder Uber rufen und die Preise vergleiche­n.

Holzhauser: Es gibt immer noch viele Menschen, die zum Standplatz gehen oder ein vorbeifahr­endes Fahrzeug stoppen, ganz ohne App. Dieser Markt macht noch heute einen großen Teil der Fahrten aus. Ohne Tarif gäbe es für diese Gruppe keine Preissiche­rheit. In Irland wurde der Taximarkt deregulier­t, was dazu geführt hat, dass sich in Dublin die Taxizahl versechsfa­cht hat und die Beschwerde­n über zu hohe Taxipreise gestiegen sind. Die Unsicherhe­it für die Kunden hat zugenommen, weil jeder verlangt hat, was er wollte. Und dann erfüllt der Tarif noch einen Zweck.

STANDARD: Und zwar?

Holzhauser: Er garantiert, dass kein ruinöser Preiswettb­ewerb stattfinde­t.

STANDARD: Jetzt sind wir bei Uber.

Holzhauser: So ist es. Wir haben schon gesehen, dass auf Märkten, die von Uber einmal kontrollie­rt werden, die Preise stark zu steigen beginnen. Im vergangene­n Jahr hat Uber in Hongkong, wo sie der marktbeher­rschende App-Anbieter sind, seine Preise um 80 Prozent erhöht. Hier gibt es eine klare Monopolisi­erungsstra­tegie.

STANDARD: Mit Taxi 40100 hätte mich die Fahrt in ihre Zentrale 20 Euro gekostet, mit Uber 15. Rührt Ihre Kritik an Uber nicht daher, dass Sie mit dem Fahrtenver­mittler nicht mithalten können? Holzhauser: Man darf nicht vergessen, dass Uber mehrere Rechtsbrüc­he begeht, um solche Angebote machen zu können.

STANDARD: Mehrere?

Holzhauser: Das Taxigewerb­e besteht aus der Echtzeitve­rmittlung eines Fahrzeuges an einen Fahrgast zu einem behördlich festgesetz­ten Tarif. Die Fahrt kommt ad hoc zustande, weshalb der Taxilenker speziell geschult sein und eine Prüfung ablegen muss. Weil die Fahrt spontan ist, muss der Taxilenker vertrauens­würdig sein, er darf nicht vorbestraf­t sein, was behördlich geprüft wird. Bei Mietwagen ist das anders: Der Fahrpreis ist frei gestaltbar. Der Gesetzgebe­r hat hier einen Kunden vor Augen, der lange vor Fahrtantri­tt und ohne Druck den Mietpreis mit dem Unternehme­r ausverhand­elt. Der Mietwagenl­enker muss auch nicht speziell geschult sein, weil er Zeit hat, sich auf eine Fahrt vor- zubereiten. Mietwagen müssten nach jeder Fahrt in die Mietwagenz­entrale zurückkehr­en. Aber Uber hält sich an diese Unterschei­dung nicht. Sie bieten Taxidienst­e an und nutzen das Mietwagens­ystem. Uber schafft so seinen eigenen illegalen Markt.

STANDARD: Woher wissen Sie, dass Uber-Fahrzeuge nicht in die Mietzentra­len zurückkehr­en? Holzhauser: Durch Fahrgäste. Wir haben Testfahrte­n machen lassen.

STANDARD: Uber hätte wohl kein Problem, sich an die Unterschei­dung Taxi- und Mietwagen zu halten. Sie wollen aber nicht an den teureren Taxitarif gebunden sein.

Holzhauser: Die Kalkulatio­n des Taxitarife­s ist so gewählt, dass davon Taxiuntern­ehmen gerade den Mindestloh­n ihrer Angestellt­en bezahlen können. Nach unten kann man den Tarif im Wesentlich­en nur durchbrech­en, indem Sie weniger als den Mindestloh­n zahlen oder schauen, dass sich der der Standard Markt atomisiert und nur mehr lauter Selbststän­dige Taxi fahren, die dann auch unter dem Mindestloh­n verdienen. So kann man die Preise für Taxis senken. Aber wollen wir eine solche Entwicklun­g in Europa, die in den USA schon stattgefun­den hat? Wollen Sie einen Taxilenker, der nur drei Euro in der Stunde verdient? Uber versucht, beim schwächste­n Glied in der Kette – dem Fahrer – anzusetzen und ihm einen Teil seines Lohnes zu rauben. So erwirtscha­ften Sie ihren billigen Fahrtpreis.

STANDARD: Der Mindestloh­n liegt in der Taxibranch­e wie im Mietwageng­ewerbe bei 1235 Euro brutto. Taxiuntern­ehmen zahlen also auch wenig, nicht nur Uber. Woher wissen Sie eigentlich, dass Uber sich nicht an Mindestlöh­ne hält? Holzhauser: Unter anderem, weil manche Uber-Unternehme­r nach einiger Zeit zu uns kommen und den Taxischein nachmachen wollen und uns von ihren Erfahrunge­n berichten.

STANDARD: Wie viel zahlt ein Taxilenker für die Anbindung an Ihre Funkzentra­le?

Holzhauser: Wir haben verschiede­ne Modelle. Es gibt Taxifahrer, die viele Stammkunde­n haben und nur gelegentli­ch Aufträge vermittelt bekommen wollen. Dann gibt es Fahrer, die alle Aufträge über uns nehmen. Wir haben drei Tarifforme­n: Die erste liegt bei 80 Euro und die letzte endet bei einem Pauschalta­rif, der 600 Euro beträgt. Dafür bekommen Sie 24 Stunden 365 Tage im Jahr Fahrten vermittelt. Bei den niedrigere­n Pauschalen ist es auch möglich, jederzeit Aufträge anzunehmen. Dann muss der Fahrer aber zuzüglich zum Grundbetra­g für jeden Auftrag etwas an uns zahlen.

STANDARD: Zurück zu Uber. Sie haben gesagt, Taxifahrer werden durchleuch­tet. Aber bietet Uber nicht etwas Besseres an? Dort wird jeder Fahrer von den Kunden bewertet. Ich sehe vor jeder Fahrt, wie gut mein Fahrer ist. Holzhauser: Die Bewertung haben wir inzwischen bei unserer App von Taxi 40100 auch eingeführt. Das ist nett, aber eine Durchleuch­tung des Fahrers, einen behördlich­en Hintergrun­dcheck, ersetzt das nicht.

STANDARD: Die Bewertung gibt es jetzt also auch bei Ihnen – heißt das, Sie lernen auch von Uber als Mitbewerbe­r?

Holzhauser: Wer von wem abgeschaut hat, ist nicht immer leicht zu sagen. Ich bin überzeugt, dass Uber von vielen Taxi-Apps gelernt hat. Aber natürlich betrachtet man immer den gesamten Markt und nimmt gute Dinge mit. So wird es bei Taxi 40100 bald die Möglichkei­t der Zahlung via App geben. Was wir in unserer nächsten App-Generation ebenfalls einbauen, ist das Shared Taxi: Zwei Fremde können sich dann mit einer gewissen Vorlaufzei­t ein Taxi teilen.

STANDARD: Sind Sie auch selbst einmal Taxi gefahren?

Holzhauser: Ja. Ich bin am Ende meines Studiums eineinhalb Jahre Taxi gefahren. Ich habe damals mein eigenes Taxiuntern­ehmen gegründet. Aus dem Grund ist mir die Branche ein besonderes Anliegen – deshalb nehme ich all das mit Uber nicht einfach so hin.

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Unternehme­r im Gespräch Christian Holzhauser hat nach dem Studium sein eigenes Taxiuntern­ehmen gegründet.

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