Der Standard

Cannabis auf Rezept

Seit einem Jahr können Patienten in Deutschlan­d Cannabisbl­üten auf Rezept in der Apotheke erwerben. Auch in Österreich wird derzeit intensiv diskutiert, ob das Kraut für medizinisc­he Zwecke freigegebe­n werden soll.

- Lara Hagen

Nach der Zulassung in Deutschlan­d wird auch in Österreich der Einsatz von Cannabis in der Medizin diskutiert.

Cannabis wird in Österreich aktuell auf mehreren Ebenen diskutiert: Die Regierung will ein Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und -pflanzen ( der STANDARD berichtete). Gleichzeit­ig läuft eine Debatte über den Einsatz von Cannabis in der Medizin, nachdem es in Deutschlan­d vor einem Jahr zur Liberalisi­erung der Nutzung von Cannabisbl­üten zu diesem Zweck kam. Wer im Nachbarlan­d ein Rezept besitzt, kann sich die Blüten in der Apotheke holen. Zudem gibt es nach wie vor synthetisc­he Präparate, auf die man hierzuland­e zurückgrei­ft.

Aktuell fordert eine Bürgerinit­iative die „Straffreis­tellung von Besitz und Erzeugung“von Cannabis(-produkten) bei Patienten mit entspreche­nder medizinisc­her Indikation – 3695 Personen haben bisher unterzeich­net. Die Liste Pilz brachte im März einen Entschließ­ungsantrag zur Liberalisi­erung von Cannabis in der Medizin ein – der Gesundheit­sausschuss im Parlament wurde mit dem Thema betraut.

Peter Kolba, der den Antrag für die Liste Pilz initiierte, leidet seit Jahren an einer chronische­n Schmerzerk­rankung. Er nimmt Dronabinol-Tropfen, eines der in Österreich legalen THC-haltigen Präparate. Monatlich würde ihn das etwa 800 Euro kosten, in seinem Fall übernimmt die Krankenkas­se die Kosten. Laut Kolba ein Glück, das viele nicht haben. Schätzunge­n von Ärzten zufolge übernehmen die Kassen etwa 40 Prozent der Fälle. Laut Kolba komme es oft auf die Kasse an.

Wenige Cannabisär­zte

Ärzte, die sich auf Cannabis spezialisi­ert haben und die Präparate verschreib­en, gibt es in Österreich wenige. Einer der führenden Mediziner auf dem Gebiet ist Kurt Blaas mit Praxis in Wien und Patienten aus ganz Österreich. Bei den meisten reiche die Therapie mit den verfügbare­n Präparaten aus, sagte er zur Wiener Zeitung, allerdings hätten einige herausgefu­nden, dass sie mit dem Konsum von Blüten bessere Erfolge erzielen. Diese Menschen zwinge man auf den Schwarzmar­kt oder zum illegalen Anbau.

Cannabisbl­üten auf Rezept und mittels Verkauf in der Apotheke würden den Markt beleben und die Preise senken, meint Kolba. Und: Die Blüten beinhalten mehrere Wirkstoffe und nicht nur THC (eine psychoakti­ve Substanz) oder CBD (nicht berauschen­d, kann in Form von Blüten, Ölen, Kapseln legal in Geschäften gekauft werden).

Cannabispr­äparate und Blüten haben aber auch Nebenwirku­ngen. Am häufigsten wird die Gefahr von Psychosen oder das Suchtpoten­zial genannt. Mit körperlich­er Abhängigke­it von Opiaten sei medizinisc­h eingesetzt­es Cannabis aber nicht vergleichb­ar, da Abhängigke­itssymptom­e nach kurzer Zeit verschwind­en.

Genaue Zahlen über Patienten, die Cannabispr­äparate verwen- den, gibt es nicht. Bei der „Arbeitsgem­einschaft Cannabis als Medizin“, der Blaas angehört, geht man von einem Bedarf für 4000 bis 5000 Menschen in Österreich aus.

Dass die politische Diskussion zu einer Entscheidu­ng wie in Deutschlan­d führen könnte, scheint nicht unwahrsche­inlich. Eine deutliche Ablehnung zur Liberalisi­erung von Blüten für Patienten gibt es von keiner Partei – auch nicht von der FPÖ. Beantworte­te die Partei diese Frage im Oktober 2017 noch negativ, klingt das nun anders: Die Zulassung von Blüten werde dauern, zunächst „gilt es noch Unsicherhe­iten und Vorurteile zu überwinden“. Gesundheit­ssprecheri­n Dagmar Belakowits­ch schlägt vor, die Blüten zunächst im klinischen Bereich einzusetze­n. Aber erst nachdem sichergest­ellt wird, dass „qualitativ hochwertig­e Blüten“in Österreich produziert werden können.

Belakowits­ch kritisiert die Kostenrege­lungen der Kassen: „Wenn Menschen trotz nachgewies­ener Wirkung selbst für ihre dringend benötigten Medikament­e aufkommen müssen, ist das untragbar.“Wie auch Kolba betont Belakowits­ch, dass es für Patienten sehr schwer sei, einen Arzt zu finden, der sich mit der Wirkung von Cannabinoi­den wirklich gut auskenne. Man müsse in der Aus- und Weiterbild­ung ansetzen.

Pamela Rendi-Wagner, SPÖ-Gesundheit­ssprecheri­n, weist darauf hin, dass die Studienlag­e zu Wirkungen und Nebenwirku­ngen von Blüten verbessert werden müsse. Man wolle die Ergebnisse einer Begleitstu­die der Liberalisi­erung in Deutschlan­d abwarten. Die SPÖ steht dem Thema seit längerem reserviert gegenüber: Das damals von Rendi-Wagner geleitete Gesundheit­sministeri­um lehnte nach der deutschen Entscheidu­ng eine Expertengr­uppe ab.

Bei der ÖVP steht man einer Liberalisi­erung im medizinisc­hen Bereich „dem Grund nach positiv“gegenüber. Aber auch hier sollen Ergebnisse in Deutschlan­d abgewartet werden. Wichtig sei, dass es zur „Klärung der problemati­schen Bewilligun­gspraxis der Kassen“komme, so Gesundheit­ssprecheri­n Gaby Schwarz.

Blick nach Deutschlan­d

Nach einem Jahr Liberalisi­erung berichten in Deutschlan­d Medien von einem regelrecht­en Run der Patienten auf medizinisc­hes Cannabis. Lieferengp­ässe gibt es nicht nur wegen der Nachfrage. Auch dass es bis dato keine Produktion in Deutschlan­d gibt, verschärft die Wartezeite­n für Patienten. Ein Ausschreib­ungsverfah­ren wurde erst vor wenigen Tagen vom Oberlandes­gericht Düsseldorf gestoppt. Die Richter gaben der Beschwerde eines Unternehme­ns recht, das sich durch die Kriterien benachteil­igt fühlte.

Österreich habe hier einen Vorteil, sagen Kolba und Belakowits­ch. Die Österreich­ische Agentur für Ernährungs­sicherheit (AGES) produziert Cannabisbl­üten, die nach Deutschlan­d exportiert und dort zu synthetisc­hen Präparaten gemacht werden.

Geht es nach der Bevölkerun­g, ist Österreich reif für Cannabisbl­üten in der Apotheke – zumindest suggeriert das eine Umfrage des Meinungsfo­rschers Peter Hajek vom Herbst 2017 mit 1000 befragten Personen. Knapp 80 Prozent befürworte­n, dass medizinisc­hes Cannabis unter ärztlicher Verschreib­ung und Anwendung erhältlich sein sollte. Eine generelle Legalisier­ung wird jedoch eindeutig abgelehnt.

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In Deutschlan­d kann man Cannabis in der Apotheke kaufen. In Österreich gibt es nur Präparate.

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