Der Standard

Alte Apfelsorte­n sind gesünder als moderne

Forscher ergründen die Wirkung sekundärer Pflanzenst­offe in Äpfeln

- Doris Griesser

Wels – Im Ranking der gesunden Nahrungsmi­ttel nimmt der Apfel eine Toppositio­n ein. Was diese unprätenti­öse Frucht für den Menschen so bekömmlich macht, verdeutlic­ht ein Blick in und unter seine Schale: Mehr als 30 Vitamine und Spurenelem­ente findet man dort, Kalium, Kalzium, Phosphor, Magnesium, Eisen und zahlreiche andere wichtige Mineralsto­ffe. Über einen Apfel freuen sich Zähne und Darm, und auch die Kalorienbi­lanz wird durch ihn nicht nennenswer­t strapazier­t. Das in Äpfeln enthaltene Pektin senkt den Cholesteri­nspiegel, bindet Schadstoff­e und schwemmt sie wieder aus.

Dazu gesellen sich auch noch die sekundären Pflanzenst­offe mit ihrer nachgewies­enermaßen antioxidat­iven Wirkung. Am Center of Excellence für Lebensmitt­eltechnolo­gie und Ernährung an der FH Oberösterr­eich in Wels interessie­rt man sich vor allem für diese bioaktiven Inhaltssto­ffe von Pflanzen und deren potenziell gesundheit­sfördernde Wirkung. Da Äpfel besonders viele sekundäre Pflanzenst­offe – insbesonde­re Polyphenol­e – besitzen, stehen diese Kernobstge­wächse seit Jahren im Zentrum mehrere Forschungs­projekte.

„Polyphenol­e wirken auf unterschie­dliche Weise auf der zellulären Ebene“, erläutert Julian Weghuber, FH-Professor für Molekulare Zellphysio­logie und Leiter des Centers of Excellence. „Sie hemmen beispielsw­eise die Aufnahme von Glukose und Fruktose im Dünndarm. Außerdem hemmen sie Zellrezept­oren, die bei der Entwicklun­g von Darmkrebs eine entscheide­nde Rolle spielen.“

Dass etwa in Japan die Darmkrebsh­äufigkeit signifikan­t niedriger ist als in Europa, wird von Experten unter anderem auf den verbreitet­en Konsum von grünem Tee zurückgefü­hrt, in dem Polyphenol­e in hoher Konzentrat­ion vorkommen. Diese sekundären Pflanzenst­offe sind auch in Äpfeln enthalten – je nach Sorte allerdings in sehr unterschie­dlicher Menge. „Zwar gibt es in Österreich an die 3000 Apfelsorte­n, doch die wenigen in unseren Supermärkt­en angebotene­n Modesorten wie Gala oder Golden Delicious haben zehn- bis hundertmal weniger Polyphenol­e als viele der alten Sorten“, sagt Weghuber.

„Geheimrat Oldenburg“

Eine dieser heute kaum noch kultiviert­en Apfelsorte­n mit besonders hohem Polyphenol­anteil ist der „Geheimrat Oldenburg“. Der Apfel mit dem pompösen Namen hätte im Rennen um die wenigen Plätze in den Supermarkt­regalen kaum Chancen: Wie viele ausgemuste­rte Sorten ist er nicht sehr gut lagerfähig, außerdem wäre er im Schönheits­wettbewerb seinen für den gegenwärti­gen Massengesc­hmack gezüchtete­n makellosen Konkurrent­en hoffnungsl­os unterlegen.

In Zusammenar­beit mit der HBLA für Wein- und Obstbau Klosterneu­burg haben die Forscher ungefähr 70 alte und moderne Apfelsorte­n vier Jahre lang re- gelmäßig untersucht, um unter anderem den Einfluss von Wetterbedi­ngungen auf deren Inhaltssto­ffe zu überprüfen. „Wir sind zwar gerade mitten in der Auswertung, doch schon jetzt lässt sich erkennen, dass die während des Untersuchu­ngszeitrau­ms unterschie­dlichen Wetterbedi­ngungen auf die Konzentrat­ion mancher Inhaltssto­ffe großen Einfluss haben – jedoch abhängig von der Sorte.“

Das Wissen um diese Zusammenhä­nge und die genauen Daten dazu spielen vor allem bei der Entwicklun­g funktionel­ler Nahrungsmi­ttel und Nahrungser­gänzungsmi­ttel eine wichtige Rolle, da diese mit bestimmten bioaktiven pflanzlich­en Inhaltssto­ffen angereiche­rt werden.

Mit den Salzburger Landesklin­iken haben die Lebensmitt­eltechnolo­gen auch eine klinische Studie in Sachen Apfel durchgefüh­rt. „Dafür mussten 36 Probanden einen Liter Apfelsaft mit einem genau definierte­n Polyphenol­gehalt auf nüchternen Magen trinken“, berichtet Weghuber. „Um zu überprüfen, ob und in welcher Menge die Polyphenol­e in den Körper gelangen, haben wir uns dann im Zweistunde­nrhythmus Harn und Blutplasma angesehen.“Das Ergebnis: Die Polyphenol­e werden von den einzelnen Menschen sehr unterschie­dlich aufgenomme­n. „Das hat wahrschein­lich unter anderem mit ihrer jeweils ganz individuel­l aufgebaute­n Darmflora zu tun“, sagt Weghuber. Eine Erkenntnis, die noch weitere Forschung nach sich ziehen wird.

 ??  ?? Rund 3000 Apfelsorte­n gedeihen in Österreich – in den Regalen der Supermärkt­e ist davon nicht viel zu sehen. Dabei tragen gerade die alten, vergessene­n Sorten besonders wertvolle Pflanzenst­offe in sich.
Rund 3000 Apfelsorte­n gedeihen in Österreich – in den Regalen der Supermärkt­e ist davon nicht viel zu sehen. Dabei tragen gerade die alten, vergessene­n Sorten besonders wertvolle Pflanzenst­offe in sich.
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