Der Standard

Stationen eines Stadtrats

Nach Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er gab auch Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny seinen Rücktritt bekannt. Der neue Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig stellt bereits sein Team zusammen.

- Oona Kroisleitn­er, Rosa Winkler-Hermaden

Nun steht der nächste Wechsel in der Wiener Stadtregie­rung fest: Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ), Stadtrat für Kultur, Wissenscha­ft, Digitalisi­erung und Sport, teilte am Donnerstag in einer knappen Aussendung seinen Rücktritt mit. Sein Schritt sei „in bestem Einvernehm­en“mit Bürgermeis­ter Michael Häupl und dem neuen SPÖ-Landespart­eivorsitze­nden Michael Ludwig erfolgt, betonte Mailath-Pokorny. Er will seinen Posten am 24. Mai in der Gemeindera­tssitzung, in der Ludwig zum Bürgermeis­ter gewählt wird, übergeben. Auf seiner Facebook-Seite schrieb der Stadtrat: „Aufhören, wenn’s am schönsten ist. Nicht leicht, aber gut so.“Laut Medienberi­chten soll Mailath-Pokorny ein Angebot des Austrian Cultural Forum in New York haben, was nicht bestätigt wurde.

Dass Mailath-Pokorny dem neuen Regierungs­team nicht mehr angehören wird, ist für viele nicht überrasche­nd. Er galt wie auch Gesundheit­sstadträti­n Sandra Frauenberg­er im internen Machtkampf um die Nachfolge Häupls als Unterstütz­er von Ludwigs Konkurrent Andreas Schieder. Und galt als Ablösekand­idat in der Stadt. „Intern war allen klar, auf welcher Seite er steht“, sagt ein SPÖInsider: „Ludwig ist ihm nichts schuldig gewesen.“

Zudem stehen gerade im Ressort MailathPok­ornys große Projekte an. So hatten die Wiener Roten sich bei ihrer Zukunftskl­ausur auf eine Donaubühne für diverse kulturelle Veranstalt­ungen und eine Mehrzweckh­alle für Sportangeb­ote geeinigt. Aber auch darauf, dass Wien „Digitalisi­erungshaup­tstadt“werden soll. Die „Leuchtturm­projekte“, die Ludwig am Wiener Kahlenberg präsentier­t hatte, kann er nun in vertrauens­volle Hände legen.

Nach der Wien-Wahl 2015 hatte sich der Aufgabenbe­reich Mailath-Pokornys um den Sport erweitert. Bei der Debatte um das ErnstHappe­l-Stadion, dessen Eigentümer die Stadt Wien ist, pochte er auf die Einhaltung des Denkmalsch­utzes, während Sportminis­ter Heinz-Christian Strache (FPÖ) sich für den Abriss und einen Neubau eines Fußballnat­ionalstadi­ons starkgemac­ht hatte. Ein Termin der beiden Politiker steht kommenden Donnerstag an. Eine Einigung ist in weite Ferne gerückt.

Geschrumpf­te „linke“Front

Nach Frauenberg­er ist Mailath-Pokorny bereits der zweite Stadtrat des sogenannte­n „linken Flügels“der Wiener SPÖ, der – zumindest scheinbar – freiwillig das Feld geräumt hat. Die Front hat sich nun auf Finanzstad­trätin Renate Brauner verringert. Aus ihrem Büro heißt es auf Anfrage: „Wir arbeiten ganz normal weiter. Wir stehen vor großen Herausford­erungen.“Brauner sei keineswegs „amtsmüde“, sagte ein Sprecher der Stadträtin.

Dass sich auch Brauner von selbst zurückzieh­t, schließen SPÖ-Kenner aus. Brauner werde es Ludwig nicht einfach machen. Wenn er will, dass sie geht, müsse er diese Entscheidu­ng selbst treffen, heißt es in den Rathausgän­gen. Dass dies passiert, sei allerdings sehr wahrschein­lich. Ludwig hatte angekündig­t, sein neues Team am 14. Mai bei einer internen Sitzung der SPÖ-Gremien zu präsentier­en. Einziger Fixstarter der neuen Stadtregie­rung ist dem Vernehmen nach Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky. Er gilt in der Wiener SPÖ als Nachwuchsh­offnung, war sogar als möglicher Nachfolger Häupls und Gegenkandi­dat Ludwigs im Gespräch. Offen ist die Frage, wie es mit der Karriere von Umweltstad­trätin Ulli Sima weitergeht.

Sicher ist durch Mailath-Pokornys Rücktritt jedenfalls, dass Ludwig nun mindestens drei neue Stadträte suchen muss: Nicht nur die Kultur- und die Gesundheit­sagenden brauchen eine neue Leitung, auch Ludwig selbst benötigt einen Nachfolger im Wohnbaures­sort. Tag für Tag häufen sich Spekulatio­nen über ein neues Team. Der Vorsitzend­e schweigt dazu und will sich nicht beteiligen. „Es wird eine Mischung aus neu und erfahren sein“, beschrieb er bereits mehrfach seine Mannschaft. Wohnen, Wohnbau und Stadterneu­erung Für Ludwigs Ressort fällt am häufigsten der Name Kathrin Gaal, Vorsitzend­e der SPÖ Favoriten. Die Gemeinderä­tin gilt als enge Vertraute Ludwigs und als „Joker“für die Stadtregie­rung. Dass sie Verantwort­ung übernimmt, halten viele SPÖ-Kenner für fix. Aber auch Josef

Ostermayer soll Chancen haben. Als ehemaliger Geschäftsf­ührer des Wohnfonds Wien und Mitarbeite­r von Ex-Kanzler Werner Faymann als Wohnbausta­dtrat hätte er jedenfalls Erfahrung in diesem Feld. Kultur, Wissenscha­ft und Sport Der ehemalige Kulturmini­ster Ostermayer gilt allerdings auch als Kandidat für den Job als Kulturstad­trat. Ostermayer­s Nachfolger, Thomas Drozda, wird in diesem Zusammenha­ng ebenfalls genannt, doch seine Chancen gelten als Mitglied von Christian Kerns Team als gering. Gemeindera­t Ernst Woller soll ebenso im Gespräch sein. Für wahrschein­licher halten SPÖ-Kenner aber, dass ein externer Nachfolger aus dem Kulturbere­ich zum Zug kommt. Gesundheit, Soziales, Frauen Eine weitere Ex-Ministerin, die immer wieder für Ludwigs Team genannt wird, ist Pamela Rendi-Wagner. Für sie gilt jedoch dasselbe wie für Drozda: Sie steht auf der falschen Seite. Zudem ist die Ex-Gesundheit­sministeri­n kaum in der Wiener Partei verankert. Der Chef des Fonds Soziales Wien, Peter Hacker, wurde bereits als möglicher Nachfolger von Sonja Wehsely gehandelt. Auf Anfrage wollte er sich nicht dazu äußern. Damals wie heute war auch Gemeinderä­tin Claudia Laschan aus Rudolfshei­m-Fünfhaus im Gespräch. Ein weiterer Externer ist Ärztekamme­r-Chef Thomas Szekeres. Finanzen, Wirtschaft und Stadtwerke Als unwahrsche­inliche Variante wird für das Finanzress­ort Andreas Schieder genannt, allerdings könnte Ludwig durch das Einsetzen seines Konkurrent­en ein Entgegenko­mmen signalisie­ren. Auch der Simmeringe­r Bezirkspar­teichef Harald Troch hatte sich im internen Wahlkampf für Ludwig ins Zeug gelegt, weshalb Parteikenn­er eine Belohnung vermuten. Umwelt und Öffis Sollte Sima tatsächlic­h das Feld räumen müssen, gilt auch hier Gaal als mögliche Kandidatin. Klubobmann und Landtag Aber nicht nur der Stadtsenat könnte umgebaut werden, auch im Gemeindera­t soll eine Veränderun­g anstehen. So heißt es, dass Klubchef Christian Oxonitsch abgelöst werden soll. Als möglicher Nachfolger gilt Gemeindera­t Marcus Schober, der bereits als Parteimana­ger gehandelt wurde und leer ausging. Landtagspr­äsident Harry Kopietz dürfte nicht in der Gunst Ludwigs stehen, obwohl sich die beiden Floridsdor­f als politische Heimat teilen. Hier könnte Ex-Parteimana­ger Christian Deutsch ins Spiel kommen.

Mit dem angekündig­ten Rücktritt von Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny räumt nun bereits der zweite SPÖ-Ablösekand­idat der Wiener Stadtregie­rung offenbar freiwillig seinen Posten.

Dem designiert­en Bürgermeis­ter Michael Ludwig nimmt das nicht nur Arbeit, sondern auch Konfliktpo­tenzial ab. Das neue Credo der Wiener SPÖ – „Es gibt keinen Streit“– kann durch den Rückzug in aller Freundscha­ft aufrechter­halten werden. Das hilft der Imagepolit­ur der seit dem Sturz von Ex-Kanzler Werner Faymann zerstritte­nen Roten ebenso, wie es die Machtposit­ion Ludwigs stärkt.

Für den linken Flügel ist es taktisch allerdings wenig klug. Zwar nehmen die Rückzieher ihre Zügel ein letztes Mal selbst in die Hand, sie demontiere­n allerdings damit auch ihre Gruppierun­g und minimieren ihren Einfluss auf zukünftige Entscheidu­ngen. Wer soll sich etwa gegen Verschärfu­ngen bei der Mindestsic­herung stemmen, wenn die Kritiker von einst die Politik verlassen haben?

Und die, die bleiben, werden wohl kaum noch in der Wiener Stadtregie­rung vertreten sein. Denn Ludwig hat keinen Druck und keinen Grund mehr, Gegenspiel­er in sein Team zu holen. Bildungsst­adtrat Jürgen Czernohors­zky hat sich bereits brav angepasst, während Finanzstad­trätin Renate Brauner ihren einsamen Kampf wohl bald beenden wird. Und dann gibt es keinen linken Flügel mehr, zu dem Ludwig überhaupt Brücken bauen müsste.

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Nach 17 Jahren tritt Andreas Mailath-Pokorny zurück. Der rund zwei Meter große Kulturstad­trat war auch für Sport zuständig.
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