Der Standard

Gezielt gestreute Verwirrung im Netz, um Bürger zu verunsiche­rn

Derzeit tauchen wieder Verschwöru­ngstheorie­n um Nato und Syrien in sozialen Medien auf – Sie als Fake zu entlarven ist leicht

- Colette M. Schmidt

Wien – Rund um die Militärsch­läge der USA, Frankreich­s und Großbritan­niens am Samstag in Syrien hagelte es im Netz wieder Vorwürfe über Fake-News. Über Lügen, die angeblich von westlichen Medien verbreitet werden. Fotos und Videos, die angeblich zeigen, wie Chemieangr­iffe in Syrien inszeniert wurden, um Angriffe zu rechtferti­gen, kursierten auf Facebook und auch bei Usern im Forum des STANDARD.

Besonders dreist schienen da Fotos eines Filmsets, wo eine Frau mit Filmklappe das Signal zum Start gibt, damit Menschen wie tot umfallen. Die Bilder zeigen tat- sächlich ein profession­elles Filmset. Aber sie sind nicht geheim aufgenomme­n, sondern von der Facebookse­ite des Films Revolution Man, der im März im Opernhaus von Damaskus uraufgefüh­rt wurde, geklaut, wie die Seite mimikama.at aufklärt. Mit einem falschen Text versehen kommen Verschwöru­ngstheoret­iker hier auf ihre Kosten: Nato, Weißhelme und auch Medien werden pauschal als Lügner beschimpft.

Dabei wäre eine Überprüfun­g leicht. Wenn man wissen will, ob ein Bild schon irgendwo erschienen ist, kann man das auf der Seite images.google.com selbst überprüfen. Denn: „Fälscher sind ziemlich faul, die nehmen fast immer alte Fotos und behaupten, man würde darauf etwas ungeheuer Aktuelles sehen“, weiß Ingrid Brodnig, Journalist­in und Autorin der Bestseller Hass im Netz und Lügen im Netz.

„Zombie-Fakes“

Auch Bilder, deren Herkunft schon aufgeklärt wurden, kommen immer wieder. Brodnig nennt sie im Gespräch mit dem STANDARD „Zombie-Fakes, weil sie eigentlich tot sein müssten, aber als Untote wiederkomm­en“. Ein aktuelles Beispiel, das man dieses Wochenende auch im STANDARDFo­rum finden konnte, ist ein Video, das ebenso belegen soll, dass die Giftgasans­chläge von Laienschau­spielern gespielt werden: Es stammt allerdings aus dem Jahr 2013 und wurde auch oft als Falschmeld­ung entlarvt, etwa auf der Seite observers.france24.com.

Gerade im syrischen Krieg habe es der Medienkons­ument besonders schwer, sagt Brodnig, „da gibt es eine Mischung aus fairen und unfairen Argumenten. Einerseits gibt es berechtigt­e Kritik am Vorgehen der USA, aber dazu kommen russische Medien, die online wilde Theorien verbreiten und Verwirrung stiften.“

„Es ist nicht leicht für Bürger zu wissen, wo man stehen soll, vor allem weil ja US-Politik auch immer wieder mit falschen Behauptung­en aufgefalle­n ist – erinnern wir uns an Irakkrieg“, sagt Brodnig. Dabei gebe es Unterschie­de zu früher, so die Expertin: „In Sowjetzeit­en war russische Propaganda durchaus inhaltsbez­ogen, da ging es vor allem um den Kommunismu­s, heute versucht die Propaganda vor allem, gezielt mit verschiede­nen Theorien Bürger zu verunsiche­rn. Das können russische Medien extrem gut.“

Auch Sender wie CNN zeigen derzeit Videos, die sie als nicht verifizier­bares Material ausweisen. Wie sollen Medien damit umgehen? Manchmal müsse „Journalism­us in Krisensitu­ationen einfach sagen, dass er nicht weiß, ob Bilder echt sind. Das wäre ehrlich und seriös“, so Brodnig.

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