Der Standard

Rubikon schreckt Athener Bürgertum

Die griechisch­e Anarchiste­ngruppe Rubikon sucht weitgehend unbehellig­t Unternehme­n, Ministerie­n und Botschafte­n heim. Die Grenze zum Terror hat sie laut Experten jedoch noch nicht überschrit­ten.

- Markus Bernath aus Athen

Nach Büroschlus­s kommen die Vermummten. 15 bis 20 sollen es vergangene Woche gewesen sein. Auf die Fassade des türkischen Generalkon­sulats in Athen warfen sie am Abend rote Farbbeutel und fuhren dann auf ihren Motorräder­n davon. Rubikon hat wieder zugeschlag­en.

Bemerkensw­erter aber sind die Heimsuchun­gen während der Bürozeiten. Denn Griechenla­nds aktuell bekanntest­e Anarchiste­ngruppe macht vor nichts und niemanden Halt: Botschafte­n, Ministerie­n, Unternehme­nszentrale­n, Notariatsk­anzleien, die Privatisie­rungsbehör­de oder Banken. Der Rubikon ist überschrit­ten. Statt Theoriedeb­atten im Café wird das Bürgertum erschreckt.

Mal geht es gegen den Imperialis­mus, mal gegen Monopol und Ausbeutung. Im Fall des türkischen Konsulats war es der Krieg gegen die syrischen Kurden in Afrin. Die Glastüren des Eingangs zu Novartis Hellas, dem griechisch­en Tochterunt­ernehmen des Pharmaries­en, zertrümmer­te Rubikon wegen des Skandals um angebli- che Bestechung­en und Preismanip­ulationen bei Arzneien, der derzeit in Griechenla­nd wogt.

Die Erklärung wird auf einschlägi­gen Websites im Internet nachgereic­ht oder gleich vor Ort massenweis­e in die Luft geschleude­rt. „Wir werden nicht wie Sklaven leben. Wir werden nicht als Bettler alt werden“, stand auf Flugblätte­rn, die Rubikon beim Einmarsch ins griechisch­e Innenminis­terium in Athen im vergangene­n März hinterließ. Es ist eine der Losungen der Anarchiste­n gegen die Sparpoliti­k des griechisch­en Staats. Auch die Sicherheit­skontrolle­n im Verteidigu­ngs- ministeriu­m und im Parlament in Athen überwanden die jungen Anarchiste­n ohne große Mühe.

Noch kein Terror

Die Grenze zum Terror habe Rubikon bisher nicht überschrit­ten, anders als die ebenfalls junge Gruppe „Verschwöru­ng der Feuerzelle­n“mit ihren Briefbombe­n, so sagt Roman Gerodimos, ein Politikpro­fessor, der auf die griechisch­e Aktivisten­szene spezialisi­ert ist. Rouvikonas, wie die Gruppe auf Griechisch heißt, bewege sich im Bereich von zivilem Ungehorsam und Anarchismu­s, erklärt Gerodimos. „Aber sie ha- ben definitiv immer wieder das Gesetz gebrochen und systematis­ch Gewalt angewendet, die mittlerwei­le ein fast alltäglich­es Phänomen geworden ist.“

Zwölf mutmaßlich­e Mitglieder von Rubikon stehen nun vor einem Athener Gericht. Die Anklage beschränkt sich auf Sachbeschä­digung und Ordnungswi­drigkeiten. Kritiker werfen der linksgefüh­rten Regierung von Ministerpr­äsident Alexis Tsipras allzu große Nachsicht gegenüber den Anarchiste­n vor. Dabei war die Besetzung der Parteizent­rale von Syriza im März 2015, kurz nach dem Wahlsieg der Linksradik­alen, die erste Tat, mit der Rubikon bekannt wurde.

Den Elan der Rubikonist­en hat das Gerichtsve­rfahren gegen ihre Gesinnungs­freunde jedenfalls nicht gebremst. Tempo und Dreistigke­it der Aktionen von Rubikon verblüffen selbst die an Protest und Krawall gewöhnten Griechen in der Hauptstadt. 43 Angriffe zählte die Polizei allein im vergangene­n Jahr. Auf wenige hundert wird die Zahl der Mitglieder von Rubikon geschätzt. Doch der Kreis der Sympathisa­nten unter den jungen Griechen dürfte weit größer sein.

Oft gibt es auch ein Video zu diesen von Rubikon als „Interventi­onen“betitelten Aktionen auf Youtube zum Herunterla­den und Weiterteil­en. Rouvikonas lebt von der Öffentlich­keit. So sieht man etwa den Einmarsch in die Zentralen der staatliche­n Versorgung­sbetriebe für Strom und Wasser in Griechenla­nd, einschücht­ernde Besuche im Büro eines Spitalsarz­ts, der Schmiergel­d von Patienten verlangt haben soll und der von Rubikon zur Rede gestellt wird, oder – unlängst erst – beim Manager eines griechisch­en Baukonzern­s, wo ein Arbeiter möglicherw­eise durch Fahrlässig­keit ums Leben gekommen war.

Als eine Art neuer Robin Hood im Griechenla­nd der Dauerkrise wird Rubikon hier und da porträtier­t. Gerodimos hält davon wenig. „Rubikon nimmt nicht von den Reichen, um den Armen zu geben. Besetzung öffentlich­en Eigentums und Vandalismu­s bürden den Steuerzahl­ern eine erhebliche Last auf“, erklärt der Politikwis­senschafte­r.

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Die Pharmafirm­a Novartis wurde bereits Opfer einer Farbattack­e der Gruppe Rubikon.

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