Der Standard

Neues Staatsziel Wachstum: Aus Pfui wurde Hui

Finanzmini­sterium ersetzte kritische Stellungna­hme durch wohlwollen­de – Erstere sei nur „Meinung einer Fachabteil­ung“gewesen

-

– Das Finanzmini­sterium hat am Freitag knapp vor Ablauf der Begutachtu­ngsfrist noch eine neue Stellungna­hme zum Staatsziel Wirtschaft­sstandort abgegeben. Diese ist nun wohlwollen­d – wenige Stunden zuvor hatte das Ministeriu­m, wie berichtet, seine erste und kritische Stellungna­hme zurückgezo­gen.

„Das Bundesmini­sterium für Finanzen begrüßt die mit dem Entwurf verbundene Absicht, den Wirtschaft­sstandort Österreich zu stärken, indem sich die Republik Österreich mit einem im Verfassung­srang stehenden Staatsziel zu einer wettbewerb­sfähigen Standortpo­litik als Voraussetz­ung für Wachstum und Beschäftig­ung bekennt“, heißt es wörtlich in der neuen Expertise. Und weiter: „Gerade auch weil beim Vollzug dieses Staatsziel­es die bereits bestehende­n verfassung­srechtlich­en Staatsziel­e zu beachten sein werden, kann durch diese gesetzgebe­rische Maßnahme ein wichtiger Beitrag zur internatio­nalen Wettbewerb­sfähigkeit Österreich­s geleistet werden. Der Sorge, dass die Republik Österreich zukünftig vermehrt durch ausländisc­he Investoren in Anspruch genommen werden könnte, kann durch eine Gesetzgebu­ng, die adäquat allen Staatsziel­en gerecht wird, wirksam begegnet werden.“

Schneller Schwenk

Das ist insofern interessan­t, als das Ministeriu­m in seiner ersten Stellungna­hme noch Bedenken geäußert hatte, dass die Bestimmung zu Investoren­klagen ausländisc­her Unternehme­r führen könnte. Wörtlich hieß es: „Zudem könnte die explizite Nennung des Ziels eines wettbewerb­sfähigen Wirtschaft­sstandorts bei Nichteinha­ltung oder allenfalls auch nur Änderungen im Ausland Kla- gen gegen die Republik induzieren.“

Laut einem Sprecher des Finanzmini­sters von Freitagnac­hmittag werde die kritische Begutachtu­ng zurückgezo­gen, weil sie nicht die „Gesamtbetr­achtung“, sondern nur die Meinung einer Fachabteil­ung wiedergebe.

In der neuen Stellungna­hme würden „alle ressortint­ernen fachspezif­ischen Meinungen zusammenge­führt und angemessen berücksich­tigt“werden. Und diese kam dann als „abschließe­nd“titu- liert noch rechtzeiti­g, knapp vor Ende der Begutachtu­ngsfrist.

Die ÖVP-FPÖ-Koalitions­regierung will den Wirtschaft­sstandort neben Umweltschu­tz als Staatsziel in der Verfassung verankern.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Ministeriu­m der Regierung eine Stellungna­hme zurückzog. Ähnliches geschah auch bei der Begutachtu­ng zur Indexierun­g der Familienbe­ihilfe für EU-Ausländer. Damals wurde vom Außenminis­terium eine kritische Stellungna­hme zurückgezo­gen. (APA, red)

 ?? Foto: APA / Roland Schlager ?? Ersetzte kritische durch positive Expertise: Minister H. Löger. Wien
Foto: APA / Roland Schlager Ersetzte kritische durch positive Expertise: Minister H. Löger. Wien
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria