Milos Forman 1932–2018
Wien – Über das Jahr 1968 heißt es häufig, dass damals eine Revolte scheiterte, dafür aber ein Marsch durch die Institutionen begann. Für den Filmemacher Milos Forman war Hollywood die entsprechende Institution. Vor 1968 zählte er zu den wichtigsten Vertretern des künstlerischen Flügels des Prager Frühlings. Nach 1968 begann für Forman eine zweite Karriere in Amerika, mit Welterfolgen wie Einer flog über das Kuckucksnest (1975) und Amadeus (1984).
Seither können sich die Filmhistoriker nach Herzenslust darüber streiten, ob der Milos Forman von Der schwarze Peter (1964) mit dem Milos Forman von Larry Flynt – Die nackte Wahrheit (1996) noch etwas zu tun hatte. Es ist die Generalfrage zu dem Generationenexperiment von 1968, nur eben auf die Bedingungen hinter dem Eisernen Vorhang bezogen.
Forman wurde 1932 in Cáslav (heute Tschechien) geboren. Die Eltern engagierten sich im Widerstand und wurden von den Nazis umgebracht: der Vater in Buchenwald, die Mutter in Auschwitz. Milos kam in ein Waisenhaus.
Schon während des Kriegs war er durch seinen Bruder mit dem Theater in Berührung gekommen. Als er zu Beginn der 1960er-Jahre in Prag nach künstlerischer Betätigung suchte, verfiel er auf die Idee, eine Dokumentation über das Theater Semafor zu machen. Parallel entstand sein erster Film Konkurs, über ein Sängerinnencasting. Seine Filme aus den Jahren 1964 bis 1968 zählen zu den Höhepunkten der Tschechoslowakischen Neuen Welle: In Die Liebe einer Blondine (1966) oder Der Feuerwehrball (1968) zeigte Forman einen warmherzigen Blick auf soziale Verhältnisse im kleinbürgerlichen Kommunismus mit viel Sinn für Komik.
Progressiver Geist
Als die Truppen des Warschauer Paktes 1968 in Prag einmarschierten, war Forman bereits in Verhandlungen mit einem Hollywoodstudio. Er ließ sich daraufhin in New York nieder. Sein erster amerikanischer Film Taking Off (1971) griff das Thema des Generationenkonflikts auf. Den Durchbruch schaffte er dann 1975 mit der Verfilmung eines Romans von Ken Kesey: Einer flog über das Kuckucksnest. Der Aufstand einer Patientengruppe in einer psychiatrischen Anstalt war von dem progressiven Geist der Zeit inspiriert. Das traf dann auch auf Hair (1979) zu, die Verfilmung des berühmten Hippiemusicals.
Forman arbeitete oft mit literarischen Vorlagen, so auch 1981 bei Ragtime (nach E. L. Doctorow) und bei Amadeus (1984), einer Adaption des Theaterhits von Peter Shaffer. Er gewann dafür seinen zweiten Oscar nach Einer flog über das Kuckucksnest. Nach dem kontroversen Larry Flynt (1996, über den Begründer des Pornoimperiums Hustler) wurde es stiller um Forman. Er lebte zuletzt mit seiner dritten Ehefrau an der US-Ostküste. Am Freitag ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.