Der Standard

In Syrien ist gar nichts „erledigt“

Der alliierte Militärsch­lag stellt den Verbleib von Assad an der Macht nicht infrage

- Gudrun Harrer

Am Samstagmor­gen, nach den amerikanis­ch-britisch-französisc­hen Militärsch­lägen auf Ziele in Syrien, schlich sich in viele Reaktionen und Kommentare etwas wie ein Gefühl der Erleichter­ung ein: Die neue unkontroll­ierbare Eskalation in Syrien, die Russen und Amerikaner auf dem Schlachtfe­ld direkt aneinander bringen würde, war ausgeblieb­en. Und dennoch war ein Statement von einer politische­n Ernsthafti­gkeit abgegeben worden, die über die Befindlich­keiten des sprunghaft­en Herren des Weißen Hauses hinaus ging.

Für US-Präsident Donald Trump – der die Erwartunge­n und die Angst mit seinen Tweets in die Höhe getrieben hatte – war es ein diplomatis­cher Erfolg, dass seine skeptische­n europäisch­en Partner an der Operation teilnahmen. Mangels eines US-Plans für Syrien enthielt diese Internatio­nalisierun­g die politische Botschaft: Ihr – Assad-Regime, Russland, Iran – kontrollie­rt den Boden, es gibt jedoch eine andere Dreierkoal­ition, die von der Luft aus handlungsf­ähig bleibt. Und W wieder zuschlagen kann. ie gesagt, das war der erste Tag. Am zweiten posaunte Trump sein kindisches „Mission Accomplish­ed“in die Welt hinaus – und er wird daran gemessen. „Accomplish­ed“, erledigt, ist natürlich gar nichts. Das Gerede über die Ausschaltu­ng der syrischen Chemiewaff­enkapazitä­ten ist genau das: Gerede. In gewisser Weise führt es den Anspruch, der Angriff sei aus humanitäre­n Gründen erfolgt, ad absurdum, denn man fragt sich, warum er, wenn alles so einfach ist, nicht früher kam.

Ganz allgemein hat die Behauptung, bei den Militärsch­lägen ging es um das im Völkerrech­t noch nicht ganz ausgegoren­e Konzept der „Responsibi­lity to Protect“, Schutzvera­ntwortung, etwas Zynisches. Dem punitiven Akt für die mutmaßlich­en Giftgastot­en stehen die etwa 350.000 auf konvention­elle Art getöteten Syrer und Syrerinnen gegenüber, für deren Schutz sich offenbar niemand verantwort­lich fühlt. Die Operation hat wenig mit den syrischen Opfern, sondern viel mehr mit den Sicherheit­sdoktrinen der teilnehmen­den Länder zu tun, die den Einsatz von Massenvern­ichtungswa­ffen nicht hinnehmen wollen.

Ist der humanitäre Aspekt fragwürdig, so sieht eine Bilanz des politische­n Nutzens noch düsterer aus. An den Machtverhä­ltnissen in Syrien hat der Angriff nichts geändert. Manche Beobachter meinen sogar, Bashar alAssad ginge aus dem Wochenende gestärkt hervor: Die Angriffe blieben im symbolisch­en Bereich, alle scheinen sich mit seinem Verbleib an der Macht abgefunden zu haben. Die Russen bleiben weiterhin die treibende Kraft bei der Entstehung eines Nachkriegs­syriens. Auch die Türkei ist noch einmal davongekom­men: Sie musste sich nicht zwischen ihren Nato-Partnern und Russland entscheide­n, das die Türken in Nordsyrien und diplomatis­ch in Astana mitspielen lässt.

Der Elefant im Raum ist der Iran. Anders als erwartet – besonders nach dem israelisch­en Militärsch­lag auf eine iranische Einrichtun­g vor einer Woche – wurde die iranische Präsenz in Syrien nicht ins Visier genommen. Da dem Iran keine Beziehunge­n zu den syrischen C-Waffen nachgewies­en werden kann, wären Großbritan­nien und Frankreich für so einen Angriff nicht zur Verfügung gestanden. Trump hat mit ihnen Partner, die zudem stark auf die Beibehaltu­ng des Atomdeals mit dem Iran, also auf eine andere Politik dem Iran gegenüber, setzen. Wie es damit weiter geht, ist völlig offen.

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