In drei Minuten zum Durchbruch
Welche Mauern werden demnächst in der Wissenschaft fallen? Über diese Frage lieferten sich junge Wissenschafter einen Ideenwettstreit beim Falling Walls Lab Austria.
Ginge es nach Jakob Andersson, sollte sich die Wissenschaft dringend um die Entwicklung neuer Antibiotika kümmern. Die Anzahl der Bakterien, die gegen die Behandlung mit Antibiotika resistent sind, steigt nämlich rasant an, wie der Wissenschafter ausführt. Andersson hat sich schon Gedanken gemacht, wie man die Entwicklung beschleunigen kann: Am Austrian Institute of Technology (AIT) untersucht er die komplexen Zellwände von Viren und Bakterien, denn: „Nur, wenn man die Zellwand kennt und weiß, wie man sie durchbricht, lässt sich ein wirkungsvolles Medikament herstellen.“
Andersson ist einer der Referenten beim diesjährigen Falling Walls Lab Austria, bei dem sich alles um wissenschaftliche Durchbrüche dreht. Gefragt ist nicht weniger als Ideen und Forschungsansätze, die die Welt verändern können – erklärt in drei Minuten. Das Format ähnelt den beliebten Science-Slams, nur wird hier nicht vom Publikum, sondern von einer kritischen und fachkundigen Jury bewertet. Das Event, das im großen Sendesaal des Radiokulturhauses im Rahmen der Langen Nacht der Forschung am vergangenen Freitag stattgefunden hat, fungierte als Qualifikationsrunde für die Falling-Walls-Konferenz in Berlin, an der 100 Nachwuchswissenschafter aus über 50 Ländern teilnehmen, um ihre Ideen einer breiten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zu präsentieren.
Zum Jahrestag des Mauerfalls in Berlin findet jedes Jahr am 9. November eine Konferenz mit internationalen Koryphäen aus Wissenschaft und Forschung statt, die einen Blick auf zukünftige Innovationen werfen. Dabei geht es jedoch nicht um den sprichwörtlichen Blick in die Glaskugel, sondern um Voraussagen, die sich bereits auf handfeste Forschung stützen.
Auch die jungen österreichischen Wissenschafter präsentieren Forschungsergebnisse, die darauf getestet werden, wie bahnbrechend sie sind. In der dafür zuständigen Jury saßen unter anderem die renommierte Sozialwissenschafterin Helga Nowotny, der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Klement Tockner, und die Gewinnerin des Falling-Walls-Finales 2017, die Chemikerin Agnes Reiner. Das Falling Walls Lab Austria findet unter der Schirmherrschaft der Alpbacher Technologiegespräche statt und mit finanzieller Unterstützung von Verkehrsministerium, Industriellenvereinigung, Austria Wirtschaftsservice (AWS), Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE), Accent Gründerservice, Tecnet Equity, Verlag Holzhausen und TU Austria.
Die zwölf Präsentationen widmeten sich den unterschiedlichsten Fachgebieten und Problemen – Trends: Pilze und Medizin. Gleich zwei der Teilnehmer knöpften sich in den kurzen Präsentationen Pilze, auf Latein fungi, vor. Wolfgang Hinterdobler vom AIT etwa untersucht in seiner Forschung die Kommunikation zwischen den Pilzen, die er in seiner Präsentation als „Sprache“bezeichnete, die es zu decodieren gelte, wenn man die pilzeigene Produktion chemischer Stoffe verstehen wolle.
Mit Popsongs Muskeln trainieren
Von der spielerischen Seite ging die Medizinerin Cosima Prahm von der Medizinischen Uni Wien an ihr Forschungsproblem heran. In ihrer Arbeit mit Menschen, die Prothesen verwenden, stellte sie fest, dass viele Patienten diese kaum verwenden, da sie aus mangelndem Training nur wenig Kontrolle über die Prothese haben. Prahm entwickelte daraufhin ein virtuelles Spiel, bei dem mithilfe von Popsongs die Muskeln und Nerven trainiert werden, um besser mit der Prothese umgehen zu können.
Auch die Künstlerin Nora Jacobs präsentierte ihre Idee im Rahmen des Falling Wall Labs, ihr ging es um das Hinterfragen der binären Geschlechteridentitäten mithilfe eines Automaten. Oder genauer: eines Gummibärenautomaten, der Fruchtgummis in Genitalform ausspuckt. Nur gibt der von ihr getaufte „Gender Vender“nicht nur zwei Geschlechter aus, sondern eine Vielfalt an möglichen Geschlechtsorganen.
Den ersten Platz und damit ein Ticket nach Berlin bekam die Medizinerin Nicole Heinzl zugesprochen. Sie forscht an der Medizinischen Universität Wien an der Therapierung von Krebs und vor allem an der Auswahl der richtigen Therapie, da Patienten häufig nicht auf eine Krebstherapie ansprechen.
Mithilfe eines Tests auf das Protein p53, das als Tumorsuppressor wirken kann, will Heinzl sicherstellen, dass Krebspatienten richtig therapiert werden und sich ihre Überlebenschancen somit erhöhen.