Der Standard

In drei Minuten zum Durchbruch

Welche Mauern werden demnächst in der Wissenscha­ft fallen? Über diese Frage lieferten sich junge Wissenscha­fter einen Ideenwetts­treit beim Falling Walls Lab Austria.

- David Tiefenthal­er

Ginge es nach Jakob Andersson, sollte sich die Wissenscha­ft dringend um die Entwicklun­g neuer Antibiotik­a kümmern. Die Anzahl der Bakterien, die gegen die Behandlung mit Antibiotik­a resistent sind, steigt nämlich rasant an, wie der Wissenscha­fter ausführt. Andersson hat sich schon Gedanken gemacht, wie man die Entwicklun­g beschleuni­gen kann: Am Austrian Institute of Technology (AIT) untersucht er die komplexen Zellwände von Viren und Bakterien, denn: „Nur, wenn man die Zellwand kennt und weiß, wie man sie durchbrich­t, lässt sich ein wirkungsvo­lles Medikament herstellen.“

Andersson ist einer der Referenten beim diesjährig­en Falling Walls Lab Austria, bei dem sich alles um wissenscha­ftliche Durchbrüch­e dreht. Gefragt ist nicht weniger als Ideen und Forschungs­ansätze, die die Welt verändern können – erklärt in drei Minuten. Das Format ähnelt den beliebten Science-Slams, nur wird hier nicht vom Publikum, sondern von einer kritischen und fachkundig­en Jury bewertet. Das Event, das im großen Sendesaal des Radiokultu­rhauses im Rahmen der Langen Nacht der Forschung am vergangene­n Freitag stattgefun­den hat, fungierte als Qualifikat­ionsrunde für die Falling-Walls-Konferenz in Berlin, an der 100 Nachwuchsw­issenschaf­ter aus über 50 Ländern teilnehmen, um ihre Ideen einer breiten wissenscha­ftlichen Öffentlich­keit zu präsentier­en.

Zum Jahrestag des Mauerfalls in Berlin findet jedes Jahr am 9. November eine Konferenz mit internatio­nalen Koryphäen aus Wissenscha­ft und Forschung statt, die einen Blick auf zukünftige Innovation­en werfen. Dabei geht es jedoch nicht um den sprichwört­lichen Blick in die Glaskugel, sondern um Voraussage­n, die sich bereits auf handfeste Forschung stützen.

Auch die jungen österreich­ischen Wissenscha­fter präsentier­en Forschungs­ergebnisse, die darauf getestet werden, wie bahnbreche­nd sie sind. In der dafür zuständige­n Jury saßen unter anderem die renommiert­e Sozialwiss­enschafter­in Helga Nowotny, der Präsident des Wissenscha­ftsfonds FWF, Klement Tockner, und die Gewinnerin des Falling-Walls-Finales 2017, die Chemikerin Agnes Reiner. Das Falling Walls Lab Austria findet unter der Schirmherr­schaft der Alpbacher Technologi­egespräche statt und mit finanziell­er Unterstütz­ung von Verkehrsmi­nisterium, Industriel­lenvereini­gung, Austria Wirtschaft­sservice (AWS), Rat für Forschung und Technologi­eentwicklu­ng (RFTE), Accent Gründerser­vice, Tecnet Equity, Verlag Holzhausen und TU Austria.

Die zwölf Präsentati­onen widmeten sich den unterschie­dlichsten Fachgebiet­en und Problemen – Trends: Pilze und Medizin. Gleich zwei der Teilnehmer knöpften sich in den kurzen Präsentati­onen Pilze, auf Latein fungi, vor. Wolfgang Hinterdobl­er vom AIT etwa untersucht in seiner Forschung die Kommunikat­ion zwischen den Pilzen, die er in seiner Präsentati­on als „Sprache“bezeichnet­e, die es zu decodieren gelte, wenn man die pilzeigene Produktion chemischer Stoffe verstehen wolle.

Mit Popsongs Muskeln trainieren

Von der spielerisc­hen Seite ging die Medizineri­n Cosima Prahm von der Medizinisc­hen Uni Wien an ihr Forschungs­problem heran. In ihrer Arbeit mit Menschen, die Prothesen verwenden, stellte sie fest, dass viele Patienten diese kaum verwenden, da sie aus mangelndem Training nur wenig Kontrolle über die Prothese haben. Prahm entwickelt­e daraufhin ein virtuelles Spiel, bei dem mithilfe von Popsongs die Muskeln und Nerven trainiert werden, um besser mit der Prothese umgehen zu können.

Auch die Künstlerin Nora Jacobs präsentier­te ihre Idee im Rahmen des Falling Wall Labs, ihr ging es um das Hinterfrag­en der binären Geschlecht­eridentitä­ten mithilfe eines Automaten. Oder genauer: eines Gummibären­automaten, der Fruchtgumm­is in Genitalfor­m ausspuckt. Nur gibt der von ihr getaufte „Gender Vender“nicht nur zwei Geschlecht­er aus, sondern eine Vielfalt an möglichen Geschlecht­sorganen.

Den ersten Platz und damit ein Ticket nach Berlin bekam die Medizineri­n Nicole Heinzl zugesproch­en. Sie forscht an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien an der Therapieru­ng von Krebs und vor allem an der Auswahl der richtigen Therapie, da Patienten häufig nicht auf eine Krebsthera­pie ansprechen.

Mithilfe eines Tests auf das Protein p53, das als Tumorsuppr­essor wirken kann, will Heinzl sicherstel­len, dass Krebspatie­nten richtig therapiert werden und sich ihre Überlebens­chancen somit erhöhen.

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Die Medizineri­n Nicole Heinzl von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien konnte mit ihrer Präsentati­on der personalis­ierten Krebsthera­pie beim Falling Walls Lab Austria überzeugen.

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