SPÖ will Grünen nach Salzburger Verlusten im Bundesrat helfen
Der Wahlsonntag geriet für die Ökopartei zu einem argen Auf und Ab: Wahldebakel in Salzburg, Wahlsieg in Innsbruck – dazu muss die Bundespartei nun einen herben Verlust kompensieren, auch mit einem pointierteren Stil.
Salzburg – Nach der Landtagswahl in Salzburg haben am Montag die Analysen in den Parteigremien begonnen. Wahlsieger Wilfried Haslauer (ÖVP), der fast neun Prozentpunkte auf knapp 38 Prozent zulegen konnte, lässt sich weiter alle Koalitionsoptionen offen. Möglich ist eine Zusammenarbeit mit der SPÖ oder den Freiheitlichen, aber auch eine Dreierkoalition mit Grünen und Neos. Stehen soll die neue Landesregierung bis zum 13. Juni, dann konstituiert sich der Landtag.
Wegen der großen Verluste (minus elf Prozent) verloren die Grünen einen Sitz im Bundesrat und damit auch das Anfragerecht in der Länderkammer. Die SPFraktionschefin im Bundesrat, Inge Posch-Gruska, kündigte allerdings im STANDARD- Gespräch an, dass man den Grünen bei inhaltlicher Übereinstimmung die fehlende Stimme verschaffen werde.
Nachdem nun alle Landtagswahlen des heurigen Jahres geschlagen sind, wird die Regierungsspitze am Dienstag ihre weiteren Vorhaben für die kommenden Monate präsentieren. (red)
Eine rasante Fahrt mit der Achterbahn ist wohl nichts gegen die abenteuerlichen Ergebnisse, die dieser Wahlsonntag den Grünen bescherte: Zuerst rasselten sie in Salzburg von ihrem Rekordergebnis mit satten 20 Prozent von 2013 runter auf 9,3 Prozent. Gleich darauf stieg die Ökopartei in Innsbruck mit guten 24 Prozent zum Wahlsieger auf. Dazu schaffte es ihr Bürgermeisterkandidat Georg Willi mit 30,88 Prozent auch noch als Erster in die Bürgermeisterstichwahl, die Anfang Mai ansteht.
Fehlendes Gespür
Der Innsbrucker Politologe Ferdinand Karlhofer sagt: „Die Abwärtsspirale seit der Nationalratswahl hat offenbar keine Gesetzmäßigkeit.“Die Lehre für die Grünen sei: „Die Partei muss wieder Gespür für Stimmungen entwickeln und anpassungsfähiger werden.“
Der vom Wahlvolk verordnete Zickzackkurs beschäftigt die krisengeschüttelten Grünen noch länger: Am Montag trat in Salz- burg ihr Landesvorstand zusammen, um über den angebotenen Rücktritt ihrer Chefin Astrid Rössler, bisher Vizelandeshauptfrau, zu beraten.
Wegen des Wahldebakels an der Salzach müssen aber auch die Bundesgrünen schwer schlucken: Denn mit den herben Verlusten ist nun auch ihr drittes verbliebenes Mandat im Bundesrat und damit Heidi Reiter aus Eugendorf futsch – und daher auch noch ihr Anfragerecht an Regierungsmitglieder, für die es in der Länderkammer stets drei Abgeordnete braucht.
Die beiden letzten verbliebenen Bundesräte, die Wienerin Ewa Dziedzic und der Oberösterreicher David Stögmüller, wollen sich aber keineswegs geschlagen geben. Mit der SPÖ habe es bereits Gespräche gegeben, erklärt Dziedzic, dass sie die Grünen da und dort mit einer dritten Unterschrift unterstützen, um weiterhin Minister löchern zu können: „Wir werden als Kontrollpartei weiterhin Druck machen“, verspricht die Grüne. Aber auch: „Wir müs- sen unsere Antworten auf Probleme – auch in der Flüchtlingspolitik – pointierter formulieren, ohne jedoch dabei plump oder populistisch zu werden.“Aktionismus freilich nicht ausgeschlossen.
Rote Schützenhilfe
Inge Posch-Gruska, seit Jänner SPÖ-Fraktionschefin im Bundesrat, bestätigt dem STANDARD, dass man den gebeutelten Grünen bei inhaltlicher Übereinstimmung aushelfen könne: „Nicht aus Jux und Tollerei, auch nicht um aus Prinzip etwas zu verhindern“, sagt sie, „aber mit den Grünen kann man inhaltlich wirklich gut diskutieren und sich abstimmen – ich mag das.“
Grün bleibt also die Hoffnung – und Karlhofer misst dem Wahlsieg in Innsbruck Bedeutung bei: „Es wäre ein fulminanter Erfolg, wenn die Grünen in einer Landeshauptstadt den Bürgermeister stellen.“Von Willi könne sich die Mutterpartei den Pragmatismus abschauen, sagt der Experte (siehe unten): „Die politischen Rahmen- bedingungen verändern sich laufend. Wer sich in scheinbar altbewährten Antworten verbohrt, den überfährt der Zug der Zeit.“
Dass Salzburgs Grüne bei der Landtagswahl mehr als halbiert wurden, liegt laut Politikwissenschafter Reinhard Heinisch nicht nur an der Ausgangssituation: Nach dem Spekulationsskandal hatte die Landespartei ein Niveau, das kaum zu halten gewesen sei – und diesmal habe man nicht einmal die eigene potenzielle Wählerschaft mobilisieren können.
Heinisch nennt dafür mehrere Ursachen. Da sei der „Koalitionseffekt“– die Grünen wären Opfer des „Kuschelkurses“mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) geworden. So sei man etwa bei sozialen Themen recht still gewesen. Im Wahlkampf wäre es dann nicht gelungen, auf die eigenen Erfolge hinzuweisen. Der in Salzburg bis heute umstrittene „Luft-80er“auf der Stadtautobahn hätte stärker als gesundheitspolitische Maßnahme akzentuiert werden müssen. Dazu gab es eine „ungeschickte Wahlkampagne“: Statt auf eigene Politik setzten die Grünen auf Imagewerbung – und einen fragwürdigen Slogan von Rössler, der lautete, sie sei „keine Politikerin“.
Die Zeit für Veränderungen drängt. Am 5. Mai will die Bundespartei in der Linzer Tabakfabrik ihren Neustart mit 500 Interessierten angehen – denn schon in einem guten Jahr findet mit den EU-Wahlen der nächste bundesweite Urnengang statt.
Gegen das Establishment
Michel Reimon, einer von drei grünen EU-Mandataren, verspürt jetzt schon Druck: „Da gibt es für uns eine Auferstehung, oder wir haben langfristig ein tieferes Problem.“Reimon glaubt, dass die Grünen Letzteres mit einem „scharfen Kurs gegen das Wirtschaftssystem“abwenden könnten. Denn er ist bis heute davon überzeugt: „Alle Versuche, zum Establishment zu gehören, sind für eine ökologische Bewegung grundsätzlich falsch.“