Im großen Angebot zeitgenössischer Kunst bietet das Dorotheum im Zuge der Auktionswoche (von 15. 5. bis 18. 5.) auch ein repräsentatives Panoptikum jüngerer österreichischer Kunstgeschichte.
Nicole Scheyerer
Wien – Wenn Mitte Mai im Dorotheum die Zeitgenossen an den Start gehen, ist die heimische Kunst gut vertreten. Zur Parade jüngerer österreichischer Kunstwerke zählt etwa eine der „performativen Skulpturen“von Erwin Wurm. Im originellen OEuvre des Künstlers spielen Häuser eine zentrale Rolle. So hat er schon sein Elternhaus als spießbürgerlich verzerrtes Narrow House nachgebaut und mit dem begehbaren Fat House eine aufgeblasene XLSkulptur kreiert. Wurm belebt die Architektur, lässt sie sprechen, schrumpfen oder schmelzen, sodass Gebäude gesellschaftliche Zustände verkörpern.
Im Jahr 2012 baute der Künstler Kaufhäuser, Museen, Gefängnisse, Bunker und Psychiatrien als Modelle aus Ton nach. Auf diese weichen Skulpturen ging er physisch los: Er attackierte sie mit vollem Körpereinsatz und versetzte ihnen Boxhiebe und Fußtritte, wodurch die Blöcke ihre geometrische Form einbüßten.
Zum Schmunzeln reizt das verbeulte, rosafarben lackierte Objekt, das aktuell versteigert wird. Mit dem Titel Disruption markiert Wurm einen Bruch innerhalb seines Werks, fand er mit seinen Action-Skulpturen doch wieder mitten in die Arena bildhauerischen Schaffens zurück. Auch für Franz West war der direkte Kon- takt zum Stofflichen elementar. Mit seinen sogenannten „Passstücken“ermöglichte er es den Betrachtern, mit seinen Gipsplastiken auf Tuchfühlung zu gehen. Pappmaschee zählte zu den Lieblingsmaterialien des 2012 verstorbenen Wieners, und daraus ist auch die jetzt angebotene längliche Plastik mit Hohlraum geformt, die in den frühen 1980er-Jahren entstand. Die Auktion wartet außerdem mit einem frühen Gipsbild von 1976 auf, das eine reliefartige Struktur und den Namenszug „Raphael Luise Bert“trägt. Beide Arbeiten sind bei der Franz West Privatstiftung registriert.
Eine unkonventionelle Methode der Identitätssuche hat Valie Export für ihre Skulptur Spuren: ID-Gravis aus dem Jahr 2000 gewählt. Auf einem Paravent sind die Buchstaben- und Zahlenreihen dreier übereinandergelegter Codes zu erkennen.
Verschlüsselte Biografie
Der Siebdruck auf durchsichtigen Scheiben mit Metallrahmen zeigt ihren eigenen genetischen Code sowie ihre durch ein Computerprogramm verschlüsselte Biografie. Als drittes Element wurden Bauelemente einer elektronischen Schaltung eingefloch- ten. Auf diese Weise betont die Medienkünstlerin die Ähnlichkeit von humanen und technischen Bestandteilen.
Als „ersten Hippie Österreichs“bezeichnete Maria Lassnig ihren Freund Arnulf Rainer, von dem eine frühe Arbeit im Angebot steht. Bereits 1949 zeichnete der langhaarige Zwanzigjährige die Traumszenerie Zur Psychologie des Eroberers, die an den Stil der späteren Wiener Schule des Phantastischen Realismus denken lässt.
Ende der 1960er-Jahre übermalte Rainer seine Fotoserie der Face & Body Farces, für die er selbst grimassierte und sich in expressive Posen warf. Abstraktion mit Witz liefern Werke wie das Mischtechnikbild 4 Hände auf Hintern – es trägt ein Etikett des Guggenheim Museum – und sein Bild Chaotisches Gemälde.
Nach einem Ausflug ins Informel wandte sich Rainers Weggefährtin wieder der figurativen Malerei zu. Parallel zu den eindrucksvollen Body Awareness Paintings, wo die Kärntnerin Körperempfindungen auf Leinwand bannte, malte Lassnig Porträts. Im Jahr 1993 signierte sie das Doppelporträt Ein Sammlerpaar, dessen feine Psychologie mit minimalem Hintergrund auskommt.