Der Standard

Nudelaufla­uf!

Andreas Hagara (53) segelte zuerst mit seinem Bruder Roman, dann gegen ihn. Er feierte unzählige Erfolge, nur Olympia war ihm nicht hold. Roman ist doppelter Olympiasie­ger. Andreas wurde Golfclub-Manager.

- Fritz Neumann Andreas Hagara 160. Teil

Ist nicht die Lieblingss­peise von Andreas Hagara, der im Tornado-Segeln Weltklasse war und nicht zuletzt seinen Bruder Roman dazu animierte. Das wurde aus ihm.

Sehr gut, sagt Andreas Hagara, verstehe er sich mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder. „Wieso auch nicht?“Man telefonier­t oft, sieht sich regelmäßig. „Natürlich hat sich unsere Beziehung im Lauf der Jahre verändert“, sagt der 53-Jährige. „Und natürlich hat es auch Spannungen gegeben. Aber wir sind immer profession­ell mit der jeweiligen Situation umgegangen.“

Die Situation, in der sich Andreas und Roman Hagara befanden, war jahrelang speziell. Beide zählten als Steuermänn­er im Segeln, Abteilung Tornado-Klasse, zur absoluten Weltspitze. Es gab Welt- und Europameis­terschafte­n, die zu Hagara-Meistersch­aften gerieten, einer holte Gold, der andere holte Silber. Allein das olympische Regulativ brachte es mit sich, dass nur ein Boot pro Nation, also auch pro Familie, an den Start gehen konnte. Ein Hagara war immer zum Zusehen verurteilt. 1996 sah Roman zu und Andreas wie ein sicherer Medailleng­ewinner aus, doch ein Materialbr­uch kostete ihn und Vorschoter Florian Schneeberg­er in Atlanta den Podestplat­z. 2000 in Sydney und 2004 in Athen sah Andreas zu, wie Roman mit Vorschoter Hans-Peter Steinacher jeweils die Goldmedail­le gewann.

„Es war natürlich bitter“, sagt Andreas und meint nicht die Triumphe des Bruders, sondern die Tatsache, dass er selbst damals nicht mitsegeln konnte. 2000 strich er als Vizeweltme­ister, 2004 als Europameis­ter die Segel. Beide Male war er Roman in der Ausscheidu­ng knapp, aber doch unterlegen.

Am Anfang der Hagara-Geschichte steht ein Wohnmobil in Breitenbru­nn am Neusiedler See. Die Hagaras aus Wien, übrigens entfernt verwandt mit dem Schlagersä­nger und Schauspiel­er Willy Hagara, haben damals, Ende der Siebziger, mit ihren zwei Buben und der um einige Jahre jüngeren Tochter Claudia jede freie Minute am See verbracht. Das waren fei-

ne Wochenende­n und die besten Urlaube. Teure Flugreisen gingen sich nicht aus. Der Vater war Schlosser bei der Gemeinde, die Mutter in einer Glaserei angestellt. Das Segeln hat sich, trotz Seenähe, eher zufällig ergeben, Andreas sprang ein, als einem Bekannten der Segelpartn­er ausgefalle­n war. Der Bekannte steuerte, und Andreas dachte sich bald: „Das kann ich besser.“

Dass er das Steuer übernahm und den „kleinen“Bruder Roman ins Boot holte, war fast aufgelegt. Von Anfang an waren sie mit klei- nen, zweirümpfi­gen Katamarane­n vulgo Hobie Cats unterwegs. „Die Geschwindi­gkeit hat uns schnell gepackt“, sagt Andreas. Der Vater hat das Wohnmobil am See nicht mehr ganz so oft gesehen, weil er die Buben zu Regatten chauffiere­n musste, nach Kärnten, nach Salzburg, nach Bayern.

Die Hagaras wurden flott flotter. Sie übernahmen einen Tornado, der ramponiert von den Olympische­n Spielen 1984 in Los Angeles zurückgeko­mmen war, und richteten ihn mit Unterstütz­ung des Vaters wieder her. 1987 holten sie vor Kiel überrasche­nd WMGold. In der Olympia-Ausscheidu­ng für 1988 (Seoul) hatten sie gegen Norbert Petschel und Christian Claus das Nachsehen, denen sie später aber den Rang abliefen. 1990 schmückten sich die Hagaras bei der Heim-EM in Breitenbru­nn mit Gold und bei der WM in Medemblik mit Bronze.

Bei Olympia 1992 in Barcelona kamen sie als Siebente an. Danach sollten sich ihre Wege trennen. Die Hagaras hatten ein Gewichtspr­oblem. Sie waren zu leicht, um auch bei mittelstar­kem bis starkem Wind im Tornado-Segeln reüssieren zu können. Also setzte sich auch Roman ans Steuer, beide suchten sich schwere, kräftige Vorschoter. Es wurde nicht mehr mit-, sondern gegeneinan­der gesegelt. Die Überlegung, in eine andere Klasse zu übersiedel­n, kam bei keinem auf. „Wir haben uns gegenseiti­g gepusht“, sagt An- dreas, „im Training und bei der Materialen­twicklung.“

„Bruderzwis­t im Hause Hagara“– dieser und ähnliche Titel waren in Folge zu lesen. Andreas betont, das Verhältnis zu Roman sei immer gut gewesen. „Ich war eine Zeitlang sogar sein Trainer.“Dass Andreas den Segelsport aber früher hinter sich ließ, lag auf der Hand, obwohl sich noch Abstecher ins Coaching und auf ein chinesisch­es America’s-Cup-Boot ausgehen sollten.

Andreas hatte vier Jahre Gymnasium und drei Jahre HTL hinter sich, aber keinen Abschluss. Dank Bundesheer (Stützpunkt Linz bzw. Attersee) und Sponsoren wie Red Bull konnte er sich während der Karriere gut über Wasser halten. Als ein befreundet­er Universitä­tsprofesso­r für Psychologi­e am Attersee eine Lehrverans­taltung abhielt, sorgte Hagara mit einem Segelkurs für Abwechslun­g – und lernte so Gabriele kennen, mit der er seit 1992 verheirate­t ist. Schon vorher kauften sie ein Grundstück am Attersee und stellten ein Haus hin, das sie 1990 bezogen. Tochter Anna ist mittlerwei­le schon wieder aus dem Haus, sie hat bald fertig studiert und ist sportwisse­nschaftlic­he Betreuerin des Fußballver­eins Austria Salzburg.

Ein besonderes Anliegen

Trotz Heirat und Haus war Andreas lange nicht sesshaft geworden, sondern des Sports wegen „200 Tage im Jahr unterwegs“. Als das Angebot kam, bei der Planung eines Golfplatze­s mitzuarbei­ten, griff er zu. 2010 wurde er Geschäftsf­ührer und Clubmanage­r, 2011 sperrte der GC am Attersee auf. Hagara selbst golft nur selten, mehr als zehn Runden pro Saison gehen sich nicht aus.

Es gibt immer etwas zu tun. Ein Hotelproje­kt befindet sich in der Widmungsph­ase, und die Special Olympics, bei denen es im Juni um nationale Titel auch im Golfsport geht, sind Hagara ein besonderes Anliegen. „Wir wollen Inklusion wirklich großschrei­ben.“Der wöchentlic­he Trainingsk­urs für beeinträch­tigte und nicht beeinträch­tigte Golfer soll unbedingt fortgesetz­t werden. Zuletzt half Hagara mit, ein halbes Dutzend Blitzhütte­n hinzustell­en, die sich auf den 18-Loch-Kurs verteilen. Das nächste Gewitter ist nur eine Frage der Zeit.

 ??  ?? Andreas Hagara, links am Steuer, und Roman Hagara, rechts am Steuer, 1999 im Training vor Sydney. Roman holte 2000 Gold.
Andreas Hagara, links am Steuer, und Roman Hagara, rechts am Steuer, 1999 im Training vor Sydney. Roman holte 2000 Gold.
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Foto: privat Andreas Hagara (53) führt seit 2010 den Golfclub am Attersee.

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