Ex-VW-Chef droht Vermögensverlust
Dem gefallenen VW-Chef Martin Winterkorn droht neben Prozessen in den USA und Deutschland der Verlust seines Vermögens. Denn Volkswagen könnte Schadenersatzklage einbringen wegen des Dieselskandals.
In der Affäre um manipulierte Abgaswerte prüft der Volkswagenkonzern Schadensersatzansprüche gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn. Winterkorn drohe im Extremfall der Verlust seines kompletten Vermögens, berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAZ) unter Berufung auf Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Ein VW-Sprecher sagte, die Prüfung laufe unabhängig von behördlichen Verfahren und sei noch nicht abgeschlossen. Dementsprechend gebe es keine Vorfestlegungen, und es seien auch noch keine Entscheidungen getroffen worden.
Im Umfeld des Aufsichtsrates kursieren sogar bereits Zahlen, wie viel von dem tief gefallenen Manager-Star zu holen ist. In der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover sei von bis zu einer Milliarde Euro die Rede.
Der VW-Chef hat dem Bericht zufolge im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere im Dienste des Autoherstellers mehr als 100 Millionen Euro verdient. Allein seine Pensionsansprüche summieren sich demnach auf knapp 30 Millionen Euro.
Auch ohne Vorsatz
Selbst wenn Winterkorn nicht einmal eine Mitwisserschaft am Betrug nachgewiesen werde, müsse er um sein Vermögen fürchten. Denn Manager haften nach deutschem Recht nicht nur, wenn sie einem Unternehmen willentlich schaden, sondern auch, wenn sie mit den Kontrollmechanismen nachlässig waren.
Ungemütlich ist es für Winterkorn, der von VW-Patriarch Ferdinand Piëch viele Jahre lang protegiert worden war, ehe er ihm im Frühjahr 2015 das Vertrauen entzog, nicht nur in den USA, wo er, wie berichtet, wegen des Abgasskandals angeklagt wurde und per Haftbefehl gesucht wird. Ihm werden Verschwörung und Betrug vorgeworfen. Auch in Braunschweig neigen sich die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen VW-Chef und andere Beschuldigte dem Ende zu. „Wenn man sich die Ermittlungen, die im Dieselverfahren Vorgänge bei VW aus etwa zwölf Jahren aufklären sollen, als Marathonlauf vorstellt, beginnt damit quasi die Runde im Stadion mit Sicht auf die Ziellinie“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe, der FAZ. Den Verteidigern solle „im Sommer“Akteneinsicht gewährt werden.
„Auf der Flucht“
Unterdessen rückt die US-Justiz dem früheren Volkswagen-Chef wegen des Dieselskandals immer dichter auf die Pelle. Sie erließ einen Haftbefehl gegen den ehemaligen Spitzenmanager. Das USJustizministerium erklärte, für die Behörden befinde sich Winterkorn auf der Flucht. Oberstaatsanwalt Ziehe zeigte sich nicht überrascht von US-Anklage und -Haftbefehl: „Die darin genannten Sachverhaltsdarstellungen sind uns – unabhängig von einer etwaig anderen Bewertung – in größeren Teilen aus unseren eigenen Ermittlungen bereits bekannt.“Seine Behörde habe seit längerer Zeit sehr gute Rechtshilfebeziehungen zu den amerikanischen Kollegen.
US-Justizminister und Generalstaatsanwalt Jeff Sessions sprach von einem System der Täuschung an der Spitze des weltgrößten Autobauers. Winterkorn habe bereits im Mai 2014 über Unregelmäßigkeiten bei Dieselabgaswerten gewusst, nicht erst im September 2014. (Reuters, dpa)