Der Standard

Gesinnungs­test steht auf dem Prüfstand

In Deutschlan­d darf die Kirche laut EuGH-Urteil konfession­slose Jobbewerbe­r nur unter bestimmten Voraussetz­ungen ausschließ­en. Das hat für Österreich über den kirchlich-religiösen Bereich hinaus Bedeutung.

- Thomas Majoros

Nach einer vor kurzem ergangenen Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs zu einem deutschen Vorabentsc­heidungser­suchen dürfen Kirchen nicht ohne weiteres konfession­slose Bewerber ablehnen. Die Entscheidu­ng vom 17. 4. 2018 (C-414/16 – Egenberger / Evangelisc­hes Werk für Diakonie) betrifft eine Ungleichbe­handlung wegen der Religion und somit einen möglichen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG (Gleichbeha­ndlungsrah­menRL). Im konkreten Fall wurde eine Bewerberin für eine Referenten­stelle beim Evangelisc­hen Werk wegen ihrer Konfession­slosigkeit abgelehnt.

Der EuGH hatte darüber zu befinden, inwieweit hier eine Rechtferti­gung gemäß Art 4 Abs 2 dieser Richtlinie – Ausnahmebe­stimmung für Organisati­onen mit religiösem oder weltanscha­ulichem Ethos – möglich ist. Er hielt zunächst die Notwendigk­eit einer wirksamen gerichtlic­hen Kontrolle fest. Konkret verlangt der EuGH weiters einen direkten Zusammenha­ng mit der fraglichen Tätigkeit. Dieser könnte sich etwa aus der Notwendigk­eit, für eine glaubwürdi­ge Vertretung nach außen zu sorgen, ergeben oder wenn die ausgeschri­ebene Stelle mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffend­en Kirche oder Organisati­on oder einem Beitrag zu deren Verkündigu­ngsauftrag verbunden ist.

Kontrolle der Personalen­tscheidung­en

Was bedeutet das nun konkret auch für Österreich? Zunächst müssen sich Kirchen und andere Religionsg­emeinschaf­ten eine entspreche­nde gerichtlic­he Kontrolle ihrer Personalen­tscheidung­en gefallen lassen, soweit dies deren (auch vom EuGH respektier­ten) Selbstbest­immungsrec­ht nicht widerspric­ht. Bei Seelsorger­n oder Religionsl­ehrern darf auch weiterhin ein bestimmtes Bekenntnis verlangt werden, nicht jedoch etwa bei Reinigungs­kräften oder Buchhalter­n.

Die Bedeutung geht aber weit über den kirchlich-religiösen Bereich hinaus. Sowohl die europäisch­e Gleichbeha­ndlungsrah­menRL als auch das österreich­ische Gleichbeha­ndlungsges­etz (GlBG) verbieten nicht nur Diskrimini­erung wegen Religion, sondern auch wegen Weltanscha­uung. Ob unter Weltanscha­uung auch politische Auffassung­en zu verstehen sind, ist zwar strittig, dürfte aber jedenfalls beim GlBG schon aufgrund der Gesetzesma­terialien zu bejahen sein.

Es muss ums Weltganze gehen

Der OGH hat eine derartige Sichtweise zumindest nicht ausgeschlo­ssen, aber betont, dass es sich dabei um Deutungsau­ffassungen in der Form persönlich­er Überzeugun­gen von der Grundstruk­tur, Modalität und Funktion des Weltganzen handeln muss. Kritische Äußerungen über die derzeitige Asylpoliti­k allein fallen allerdings nicht darunter (OGH 9 ObA 122/07t).

Somit sind auch Diskrimini­erungen wegen politische­r Weltanscha­uungen grundsätzl­ich unzulässig. Jedoch muss es nicht nur Religionsg­emeinschaf­ten, sondern auch politische­n Parteien gemäß § 20 Abs 2 GlBG möglich sein, ihren Mitarbeite­rn für bestimmte Tätigkeite­n ein Bekenntnis zur jeweiligen Gesinnung abzuverlan­gen. Auch hier kommt es aber auf die konkrete Stelle an: Ein politische­r Sprecher oder ein Referent sind anders zu behandeln als ein Hausarbeit­er oder ein Portier.

Fraglich ist, inwieweit dies auch für politische Vorfeldorg­anisatione­n gilt. Hier wird man im Einzelfall prüfen müssen, ob die jeweilige Organisati­on ein „weltanscha­uliches Ethos“verfolgt, welches Ungleichbe­handlungen rechtferti­gen könnte. Beim ÖAMTC ist das wohl nicht der Fall, beim BSA hingegen schon.

THOMAS MAJOROS ist Rechtsanwa­lt und Arbeitsrec­htsexperte in Wien. office@dmw-law.at

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Man muss nicht an Christus glauben, um für die Kirche arbeiten zu dürfen.

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