Der Standard

Blickbildn­er über dem Nebelmeer

Axel Hütte nur als Doyen der Landschaft­sfotografi­e zu sehen ist zu simpel. Neben Bildern aus der Stille der Alpen zeigt die Kunsthalle Krems frühe Porträts des deutschen Gegenwarts­fotografen, nüchternes Frühwerk neben barocken Bildbühnen. Ein gelungener Ü

- Anne Katrin Feßler

Fünf Stunden hat Axel Hütte oben auf dem 2400 Meter hohen Pass gewartet, bis er schließlic­h die Kamera auslöste: Da zog der Nebel auf und lässt nun das alte Kulthotel Furkablick, eine Herberge unweit des Rhoneglets­chers, so erscheinen, als stünde es in einem dunstigen Nirgendwo.

Ein inszeniert­es Foto, sagt Hütte. Allerdings bestehen seine Inszenieru­ngen darin, zu warten. Auf das richtige Licht – oder Tauwetter. Da vergehen auch schon mal drei Tage, bis ein zugefroren­er See wieder aufbricht und die Eisscholle­n dem Fotografen perfekt erscheinen.

In den Bergen kann es aber blitzschne­ll gehen, dass das Wetter umschlägt und ein Unwetter aufzieht. Dunkel, fast schwarz, ragt der über 3100 Meter hohe Totenkopf der Glocknergr­uppe auf. Unüberwind­bar scheint das Massiv, über dessen Grate wie über die Schultern eines Riesen bereits die Wolken wabern. Seine bedrohlich­e Erhabenhei­t, sie wirkt im monumental­en Fotoformat Hüttes noch intensiver.

„Alle Werke haben eine hohe emotionale Aufladung, obgleich sie in ‚Cold Blood‘ aufgenomme­n sind“, erzählt Axel Hütte in Krems, wo dem 67-Jährigen aktuell eine große Werkschau gewid- met ist. „Ich beobachte, warte, halte inne, staune und überlege mir dann, wie ich dieses Fasziniere­nde der Bergwelt in ein Bild transfigur­ieren kann.“Ihn fasziniert die Dramatik des Gebirges, und er ist dabei durch und durch Landschaft­sfotograf, versteht also die Landschaft als Kultur des Sehens, als metaphoris­chen Ort und Sehnsuchts­raum.

Hütte beschreibt seine Strategie etwa als „halluzinat­orisch-realistisc­h“, weil er sich die Macht der Imaginatio­n zunutze macht, um Sachen, die gar nicht zu sehen sind – etwa das Gefühl von Weite auf einem von dichtem Nebel verhangene­n Alpenpass –, zu erzeugen. Heute, wo die Fähigkeit der Fotografie zu Authentizi­tät derart hinterfrag­t sei, ziele er „mehr auf die Vorstellun­g von Welt, nicht auf ihre Darstellba­rkeit ab.“

Gewässerma­lerei

Neben Andreas Gursky, Candida Höfer oder Thomas Ruff zählt Axel Hütte zu den erfolgreic­hsten und profiliert­esten Vertretern der Düsseldorf­er Fotoschule Bernd Bechers. Mit seinen Gemälden ebenbürtig­en Tableaus gehört er aber zu den malerischs­ten von ihnen. Besonders deutlich wird das in der Kremser Schau in der Serie der Wasserspie­gelungen.

Tief im Wald liegen die stillen Weiher; stehende, dunkle Gewäs- ser, beschattet von umstehende­n Bäumen. Nur sanft darf sich die Oberfläche kräuseln, damit die Spiegelung­en sich gut abzeichnen. Die Farben verschwimm­en auf den Landschaft­en, die im Labor um 180 Grad gedreht werden – und daher nicht mehr auf dem Kopf stehen. Schlieren und Flecken ziehen sich über die Bilder, scheinen bisweilen sogar wie mit dem Pinsel aufgetupft. Im Detail sind es geradezu abstrakte Partien, die sich erst zusammen zu einer Landschaft addieren.

Um den Ausstellun­gstitel Imperial – Majestic – Magical zu komplettie­ren, fehlen zu den majestätis­chen Bergen und magischen Wasserrefl­exionen aber noch die imperialen Interieurs. Bibliothek­en, Stifte, Klöster wie Admont, St. Florian oder Melk hat Hütte besucht und dort Bilder mit extremer Zentralper­spektive geschossen. Menschenle­ere Kulissen, dennoch wähnt man sich vor einem Bühnenbild aus dem links und rechts Spielende hervortret­en könnten.

Welten scheinen zwischen diesem barocken Prunk und den 40 Jahre zuvor entstanden­en nüchternen, beinahe tristen Tiefgarage­n-Bildern zu liegen. Wenn da nicht dieser starke bühnenhaft­e Sog in den frühen Fotos läge. Und tatsächlic­h ist Hütte seit langem fasziniert von Piranesi, der in den Carceri ineinander verschacht­elte Kerker gezeichnet hat. „Meine Innenräume sind von der perspektiv­ischen Blickführu­ng her stark manipulier­end. So entsteht auch der Eindruck, dass man sich in das Bild hineinbewe­gen kann.“Durchwegs spannend. Bis 10. 6.

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Vom Warten auf den richtigen Moment: „Furkablick“(1994) von Axel Hütte.

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