LESERSTIMMEN
Im Namen des Teams
Betrifft: „Willkommen bei der Broken-Beat-Dance-Music“von Christian Schachinger
der Standard, 30. 4. / 1. 5. 2018 Dass eine Festivalkritik kein Wunschkonzert ist, ist klar. Dass ein Totalverriss auch mal herablassend klingen oder in Publikumsbeschimpfung ausarten kann: geschenkt. Wenn sich aber zu all dem bewusste Verdrehungen und Unterstellungen gesellen, wollen wir das nicht unkommentiert stehen lassen.
Das Leitmotiv der endlosen Gegenwart gäbe es deshalb, „weil man erstens immer schon ein Festivalmotto braucht für die Katalogtexte. Zweitens, weil sich die Geschichte gerade wieder einmal in der Gegenwart durch die gegenwärtig das Vergangene aufbereitende Zukunft aufheben will und es Google gleichberechtigt neben allem – und den anderen auch gibt.“
Das so polemisch zur raunenden und unmotivierten Fiktion bar jeder Grundlage eingedampfte Leitmotiv ist nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern schließt an aktuelle Debatten an und wird an vier Diskussionsveranstaltungen von Theoretikerinnen wie Simon Reynolds oder Eva Horn reflek- tiert. Es wird in allen Beiträgen aus der bildenden Kunst ästhetisch aufgegriffen, ebenso im gesamten Filmangebot und auch in Teilen der Performance- und Musikprogrammierung. Zu dem hier als Katalogtext bezeichneten Programmheft kommt eine eigenständige Essaysammlung, in der Autorinnen wie Kathrin Röggla oder Armen Avanessian jener Erschütterung der chronologischen Linearität nachspüren, die eben nicht nur vom Donaufestival behauptet wurde, sondern in diversen Zusammenhängen zwischen Kunst, Musik und Theoriebildung schon länger intensiv diskutiert wird – nicht zuletzt auch in meinem eigenen Gastbeitrag für das STANDARDAlbum vorletztes Wochenende.
Weiters heißt es: „schweres Magendrücken aufgrund von Harrys vor Ort servierten Schnitzelsemmeln (heuer gerade noch unterhalb der magischen Fünf-EuroGrenze!)“. Damit soll offenbar suggeriert werden, das Donaufestival biete überteuerte und seit Jahren unveränderte, eintönige Gastronomie an der Grenze zur Abzocke. Jeder Besucher weiß, dass das nicht stimmt und dass neben den (übrigens sehr beliebten) Schnitzelsemmeln ein hochwertiges kulinarisches Angebot zu fairen Preisen zur Auswahl steht. Außenstehenden soll aber offenbar genau dieser falsche Eindruck vermittelt werden.
Es geht hier nicht um die Zurückweisung von natürlich immer berechtigter und grundsätzlicher freier Kritik. Sondern um die Zurückweisung eines Ressentiments, das sich hinter spöttischen Pointen, bewussten Auslassungen oder schierer Ignoranz verbirgt.
Thomas Edlinger Artistic Director Donaufestival
Fuxmajor und Raubersgschicht
Betrifft: „Völkisch, deutschnational und elitär“von Natascha Strobl
der Standard, 25. 4. 2018 Das Verbreiten von Unwahrheiten ist der Sache weder dienlich, noch stärkt es die Reputation der Autorin, die die Gebräuche von Studentenverbindungen offenbar nur vom Hörensagen kennt und gleich noch ein paar Anekdoten der Hells Angels mit hineingemischt hat. Hier daher ein paar Anmerkungen, bei denen ich gar nicht auf die historischen Aussagen eingehen möchte, sondern nur die Punkte richtigstellen, die vom Alltag auf einer Burschenschaft handeln:
„Bei Burschenschaften ist das Ziel, sich gegenseitig zu verletzen. ... Erst mit dem sichtbaren Beweis dessen (dem Schmiss) ist der Prozess zum vollwertigen Mitglied des Männerbundes abgeschlossen.“Ziel einer Mensur ist es, die Anzahl der festgelegten Gänge durchzustehen – im Idealfall mit so wenigen Verletzungen wie möglich. Verletzungen des Gegners werden zwar natürlich in Kauf genommen, sind aber nicht vorrangiges Ziel. Es gibt daher bei Mensuren – im Gegensatz zu klassischen Kampfsportarten wie dem Boxen etwa – auch keinen Sieger oder Besiegten.
„Burschenschaften (sind) keine Demokratie, sondern sind ein elitärer Bund, der auch nach innen nicht demokratisch strukturiert wird.“So gut wie alle wichtigen Entscheidungen werden von allen stimmberechtigten Vollmitgliedern nach dem Mehrheitsprinzip bei einem Convent beschlossen. Damit ist eine Burschenschaft, so wie jede andere Studentenverbindung auch, demokratischer strukturiert als jede x-beliebige Firma.
„Jeder Fux bekommt seinen persönlichen Leibburschen zugeteilt, der ihm, höflich formuliert, Aufgaben erteilt, die widerspruchslos erledigt werden müssen. Weniger höflich formuliert sind das derbe Erniedrigungen und Quälereien.“Ein Fux bekommt seinen Leibburschen nicht zugeteilt, sondern wählt sich diesen selbst. Das ist eine Ehre, und Aufgabe des Leibburschen ist es, seinen Fuxen in das Verbindungsleben einzuführen und diesen auch vor eventuellen Fehlern zu bewahren. Daraus entstehen nicht selten langdauernde Freundschaften. Dass ein Fux von seinem Leibburschen routinemäßig erniedrigt und gequält wird, ist aus der Luft gegriffen.
„Die Struktur sieht vor, dass der rechtlose Fux den Übergriffen des Burschs ausgeliefert ist. Auch das dient der ‚Charakterbildung‘. Es ist ein Ertragen und Gehorchen und ein Nichthinterfragen von Personen, die in der Hierarchie über einem stehen.“Keine Rede davon. Sollten Übergriffe vorkommen, kann sich der Fux bei seinem Fuxmajor beschweren bzw. steht ihm jederzeit die Möglichkeit offen, sich einen anderen Leibburschen zu suchen. Und gerade schlagende Verbindungen, wie sie Burschenschaften sind, haben mit der Mensur ein recht gutes Instrument zur Hand, Mitläufer von echten Interessenten zu unterscheiden. Da braucht es keine unnötige Quälerei im Vorfeld, um die Härte eines Anwärters zu ermitteln. Wir reden hier nicht von den Hells Angels.
Es gibt sehr gute Gründe, Burschenschaften zu kritisieren. Auf Raubersgschichten sollte man dabei aber nicht zurückgreifen müssen. Clemens Kriegelstein
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