Der Standard

Kosaken als Schreckges­penst

- André Ballin

Viel Neues hatten die Proteste am Wochenende in Moskau eigentlich nicht zu bieten. Die Forderunge­n der Opposition nach Abwählbark­eit der Obrigkeit, freiem Zugang zu den Medien oder realer Korruption­sbekämpfun­g sind ebenso bekannt wie ihre zahlenmäßi­ge Schwäche. Der Großteil der Russen ist – auch dank der ständigen Hofbericht­erstattung des staatliche­n Fernsehens (anderes gibt es praktisch nicht mehr) – mit dem Kurs des Kremlchefs insgesamt zufrieden oder politisch apathisch. Für Abwechslun­g bei den Protesten sorgte daher ausgerechn­et der Kreml: indem er sie von Kosaken niederpeit­schen ließ.

Ein überaus gefährlich­er Präzedenzf­all: Das Gewaltmono­pol in jedem Staat sollte bei den Sicherheit­sorganen liegen und nicht an irgendwelc­he kostümiert­en Hilfstrupp­en national-konservati­ver, ja monarchist­ischer Gesinnung übertragen werden, die ihre Aggression­en ausleben wollen. Nichts anderes aber sind die heutigen Kosakenver­bände in Russland. Mit der Freiheitsl­iebe ihrer Vorfahren haben sie nichts am Hut. Es scheint fast, als ob jemand im Kreml der Opposition helfen wolle, das von ihr gezeichnet­e Bild Putins als autoritäre­r Zar noch zu schärfen.

Das bewusste Aufeinande­rhetzen von Konservati­ven und Liberalen birgt zudem das Risiko zunehmende­r Konfrontat­ion innerhalb einer ohnehin gespaltene­n Gesellscha­ft – bis hin zum Bürgerkrie­g. Russland hat das bereits hinter sich. Der Kreml sollte aus der Geschichte lernen.

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