Der Standard

KOPF DES TAGES

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Georg Willi hat doppelt Grund zum Feiern: An seinem 59. Geburtstag wurde er zum Bürgermeis­ter seiner Geburtssta­dt Innsbruck gewählt. Für Willi ist es die Krönung einer fast drei Jahrzehnte dauernden Politikerk­arriere, die ihn vom Innsbrucke­r Gemeindera­t in den Tiroler Landtag, dann weiter in den Nationalra­t und nun wieder zurück ins Rathaus in der Maria-Theresien-Straße geführt hat.

Für seine Partei ist es der erste und langersehn­te Wahlerfolg seit Einsetzen des grünen Selbstzers­törungspro­zesses. Und genau das könnte nun spannend werden. Denn als Hoffnungst­räger verkörpert der bürgerlich­e Willi so gar nicht jene grünen Werte, die in der Partei zuletzt hochgehalt­en wurden.

Der begeistert­e Kirchencho­rsänger lobt den ökosoziale­n und kapitalism­uskritisch­en Kurs von Papst Franziskus. Er zeigt Verständni­s dafür, dass dem gemeinen Wahlvolk das Dach über dem Kopf wichtiger ist als die Frage nach dem Binnen-I oder der Ehe für alle.

Dafür wurde er von Teilen der eigenen Partei noch während des laufenden Wahlkampfe­s harsch kritisiert. Doch Willi zog seine Linie durch. Als erfahrener Politiker weiß er, dass man Wahlen nicht mit Orchideent­hemen gewinnt. Er punktete mit flotten Sprüchen wie „Wo ein Willi, da ein Radweg“und trat stets adrett in Jeans, Hemd und Sakko auf.

Nur eine Grenze zog er konsequent: Mit ihm werde es keine Regierungs­beteiligun­g der FPÖ in Innsbruck geben. Damit drängte er Kontrahent­in Christine OppitzPlör­er (FI), die sich ebenso wie Willi gern als liberale Bürgerlich­e gibt, ins rechte Eck. Wohlwissen­d, dass Innsbruck zwar bieder, aber eben nicht rechts ist.

Der Berufspoli­tiker Willi, der sein Jus- und Biologiest­udium der Karriere wegen sein ließ, mag nach außen weich wirken, ist in der politische­n Sache aber ein Vollprofi. Als der grüne Gemeindera­t im Herbst im Zuge der #MeToo-Debatte versuchte, sich selbst zu zerfleisch­en, sprach er ein internes Machtwort. Seitdem wagt nicht einmal der feministis­che Flügel ein Aufbegehre­n.

Der verheirate­te Vater eines erwachsene­n Sohnes hat schon in den 1990ern geholfen, die Grünen zu retten. Damals war der ausgebilde­te Mediator eine der treibenden Kräfte hinter der Wiedervere­inigung der beiden getrennten grünen Listen Österreich­s. Nun wird Willi vorexerzie­ren müssen, wie man als Grüner regiert. Eine Rolle, die selbst für den erfahrenen Politiker Neuland ist. Steffen Arora

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Foto: APA / EXPA / Stefan Adelsberge­r Georg Willi gewann die Innsbrucke­r Bürgermeis­terwahl.

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