Wie die Mathe-Matura einzuordnen ist
Wie beurteilen Experten die Mathematik-Zentralmatura? Wie immer, wenn es um das Fach geht, recht unterschiedlich. Schüler halten sie für schwerer als zuletzt, Lehrer für bewältigbar.
Bücher, die uns die Welt der Mathematik näherbringen wollen, erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit: Sie heißen zum Beispiel Mathematik ist wunderschön oder Warum Mathematik glücklich macht. Solange Mathematik aber noch Unterrichtsgegenstand ist, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Und so erstaunt es auch nicht weiter, dass es unter einigen Nichtmathematikern Reaktionen auf die Mathematik-Zentralmatura am vergangenen Mittwoch gab, die zwischen Verzweiflung, Staunen und Entsetzen liegen.
Manch ein Leser unseres Textes „Zwei Zwischenfälle bei der Mathematik-Zentralmatura“wollte seine Ratlosigkeit angesichts der von uns verlinkten Aufgaben nicht verbergen: „Jedes Mal, wenn ich mathematische Aufgaben aus der Oberstufe vor mir habe, frage ich mich, wie ich das jemals beherrscht habe“, schrieb zum Beispiel Murmelentenmausefüßer.
Es gibt auch die Verteidiger der Mathematik, jene Leser, die genau wissen, dass die „Sprache der Naturwissenschaften“mehr ist als nur eine Qual in den Schuljahren. Auf die allseits beliebten Fragen wie „Wozu eigentlich Mathematik?“, man habe das trotz Studiums doch nie wirklich gebraucht, oder „Hat Mathe als Hauptfach Sinn?“entgegnete Unhold L.: „Mathe brauchst in der Politologie oder Ernährungswissenschaft genauso wie in der Mikrobiologe oder Geoinformatik. Warum soll man ausgerechnet den gemeinsamen Nenner der meisten akademischen Disziplinen streichen?“
Unterschiedliche Grade
Mathematik scheidet die Geister. Das ist nicht überraschend und schon der Tatsache geschuldet, dass eine Vielzahl an Kandidaten über diese Hürde müssen: Am vergangenen Mittwoch waren es jeweils 19.000 AHS- und BHSSchüler, dazu traten knapp 5000 bei der Berufsreifeprüfung an. Zwischen den Schularten gibt es grundlegende Unterschiede in der Mathematik-Matura, sowohl bei den Aufgaben als auch bei den Bewertungsschemata. Innerhalb der AHS ist die MathematikMatura einheitlich, an den BHS hingegen gibt es neben einem gemeinsamen schulformenübergreifenden Teil auch einen, der je nach Schultyp unterschiedlich ist. Selbstverständlich gibt es dabei auch unterschiedliche Schweregrade.
Rechenfehler des Lehrers
Während dieser Zentralmatura kam es, wie berichtet, zu einer Panne: An einem Wiener Gymnasium (1210, Ödenburger Straße) beendete der Lehrer die Prüfung statt nach 270 Minuten (also 4,5 Stunden) bereits nach 3,5 Stunden, nämlich um 12.20 Uhr. Erst nach der vorzeitigen Beendigung wurde der Fehler von sieben Schülerinnen und Schülern, die den Prüfungsraum bereits verlassen hatten, bemerkt.
Sie durften danach weitermachen. Andere machten keinen Gebrauch davon, die Arbeit nach der Zwangspause fortzusetzen. Und einige Schüler hatten wohl schon vor 12.20 Uhr abgegeben, weil sie keines der komplexen Beispiele mehr lösen zu können glaubten. Peter Simon, der im Bildungsministerium für die Koordination und Qualitätssicherung der Aufgaben zuständig ist, gestand im Gespräch mit dem STANDARD ein, es handle sich um einen unangenehmen Zwischenfall. Er hofft auf einen guten Ausgang für alle Beteiligten.
In einer ersten Reaktion waren viele BHS-Schüler, die in Angewandter Mathematik geprüft wurden, eher verzweifelt. Manche sagten, dass es mit entsprechendem Lernaufwand schaffbar war. Bundesschulsprecher Harald Zierfuß bestätigte, dass die Aufgaben an der BHS deutlich schwieriger als vergangenes Jahr ausgefallen seien. Bezüglich der AHS-Aufgaben meinte er: „Im Großen und Ganzen okay, vielleicht einen Tick schwieriger als im Vorjahr.“
Wie beurteilen nun Lehrer die Aufgaben? Selbstverständlich vergleichsweise moderat: „Hie und da war das eine oder andere der 24 Beispiele in Teil 1 vielleicht leichter als erwartet; dafür wurden im Gegenzug manche Themen auf eine gewisse Art abgefragt, die im ersten Moment als neu und überraschend aufgefasst werden könnte“, sagt Rainer Saurugg, Nachhilfepädagoge und Blogger für den STANDARD: Er hat sich die AHS-Fragen genauer angesehen. Zwei Drittel der 24 Beispiele seien „Routine“und eher „überraschungsarm“, schreibt er. „Eine entsprechende Vorbereitung war also gut möglich.“Saurugg appellierte an den „mathematischen Hausverstand“.
Wissenschafter begrüßen übrigens die Zentralmatura grundsätzlich, weil sie Vergleichbarkeit sicherstelle. An den Lehrplänen insgesamt wird aber Kritik geübt. Schüler, die mit einem naturwissenschaftlich-technischen Studium beginnen, hätten große Lücken im Verständnis (siehe Interview) und im mathematischen Denken.