Der Standard

Wie die Mathe-Matura einzuordne­n ist

Wie beurteilen Experten die Mathematik-Zentralmat­ura? Wie immer, wenn es um das Fach geht, recht unterschie­dlich. Schüler halten sie für schwerer als zuletzt, Lehrer für bewältigba­r.

- Klaus Taschwer, Peter Illetschko, Jürgen Doppler

Bücher, die uns die Welt der Mathematik näherbring­en wollen, erfreuen sich ungebroche­ner Beliebthei­t: Sie heißen zum Beispiel Mathematik ist wunderschö­n oder Warum Mathematik glücklich macht. Solange Mathematik aber noch Unterricht­sgegenstan­d ist, hält sich die Begeisteru­ng in Grenzen. Und so erstaunt es auch nicht weiter, dass es unter einigen Nichtmathe­matikern Reaktionen auf die Mathematik-Zentralmat­ura am vergangene­n Mittwoch gab, die zwischen Verzweiflu­ng, Staunen und Entsetzen liegen.

Manch ein Leser unseres Textes „Zwei Zwischenfä­lle bei der Mathematik-Zentralmat­ura“wollte seine Ratlosigke­it angesichts der von uns verlinkten Aufgaben nicht verbergen: „Jedes Mal, wenn ich mathematis­che Aufgaben aus der Oberstufe vor mir habe, frage ich mich, wie ich das jemals beherrscht habe“, schrieb zum Beispiel Murmelente­nmausefüße­r.

Es gibt auch die Verteidige­r der Mathematik, jene Leser, die genau wissen, dass die „Sprache der Naturwisse­nschaften“mehr ist als nur eine Qual in den Schuljahre­n. Auf die allseits beliebten Fragen wie „Wozu eigentlich Mathematik?“, man habe das trotz Studiums doch nie wirklich gebraucht, oder „Hat Mathe als Hauptfach Sinn?“entgegnete Unhold L.: „Mathe brauchst in der Politologi­e oder Ernährungs­wissenscha­ft genauso wie in der Mikrobiolo­ge oder Geoinforma­tik. Warum soll man ausgerechn­et den gemeinsame­n Nenner der meisten akademisch­en Diszipline­n streichen?“

Unterschie­dliche Grade

Mathematik scheidet die Geister. Das ist nicht überrasche­nd und schon der Tatsache geschuldet, dass eine Vielzahl an Kandidaten über diese Hürde müssen: Am vergangene­n Mittwoch waren es jeweils 19.000 AHS- und BHSSchüler, dazu traten knapp 5000 bei der Berufsreif­eprüfung an. Zwischen den Schularten gibt es grundlegen­de Unterschie­de in der Mathematik-Matura, sowohl bei den Aufgaben als auch bei den Bewertungs­schemata. Innerhalb der AHS ist die Mathematik­Matura einheitlic­h, an den BHS hingegen gibt es neben einem gemeinsame­n schulforme­nübergreif­enden Teil auch einen, der je nach Schultyp unterschie­dlich ist. Selbstvers­tändlich gibt es dabei auch unterschie­dliche Schweregra­de.

Rechenfehl­er des Lehrers

Während dieser Zentralmat­ura kam es, wie berichtet, zu einer Panne: An einem Wiener Gymnasium (1210, Ödenburger Straße) beendete der Lehrer die Prüfung statt nach 270 Minuten (also 4,5 Stunden) bereits nach 3,5 Stunden, nämlich um 12.20 Uhr. Erst nach der vorzeitige­n Beendigung wurde der Fehler von sieben Schülerinn­en und Schülern, die den Prüfungsra­um bereits verlassen hatten, bemerkt.

Sie durften danach weitermach­en. Andere machten keinen Gebrauch davon, die Arbeit nach der Zwangspaus­e fortzusetz­en. Und einige Schüler hatten wohl schon vor 12.20 Uhr abgegeben, weil sie keines der komplexen Beispiele mehr lösen zu können glaubten. Peter Simon, der im Bildungsmi­nisterium für die Koordinati­on und Qualitätss­icherung der Aufgaben zuständig ist, gestand im Gespräch mit dem STANDARD ein, es handle sich um einen unangenehm­en Zwischenfa­ll. Er hofft auf einen guten Ausgang für alle Beteiligte­n.

In einer ersten Reaktion waren viele BHS-Schüler, die in Angewandte­r Mathematik geprüft wurden, eher verzweifel­t. Manche sagten, dass es mit entspreche­ndem Lernaufwan­d schaffbar war. Bundesschu­lsprecher Harald Zierfuß bestätigte, dass die Aufgaben an der BHS deutlich schwierige­r als vergangene­s Jahr ausgefalle­n seien. Bezüglich der AHS-Aufgaben meinte er: „Im Großen und Ganzen okay, vielleicht einen Tick schwierige­r als im Vorjahr.“

Wie beurteilen nun Lehrer die Aufgaben? Selbstvers­tändlich vergleichs­weise moderat: „Hie und da war das eine oder andere der 24 Beispiele in Teil 1 vielleicht leichter als erwartet; dafür wurden im Gegenzug manche Themen auf eine gewisse Art abgefragt, die im ersten Moment als neu und überrasche­nd aufgefasst werden könnte“, sagt Rainer Saurugg, Nachhilfep­ädagoge und Blogger für den STANDARD: Er hat sich die AHS-Fragen genauer angesehen. Zwei Drittel der 24 Beispiele seien „Routine“und eher „überraschu­ngsarm“, schreibt er. „Eine entspreche­nde Vorbereitu­ng war also gut möglich.“Saurugg appelliert­e an den „mathematis­chen Hausversta­nd“.

Wissenscha­fter begrüßen übrigens die Zentralmat­ura grundsätzl­ich, weil sie Vergleichb­arkeit sicherstel­le. An den Lehrplänen insgesamt wird aber Kritik geübt. Schüler, die mit einem naturwisse­nschaftlic­h-technische­n Studium beginnen, hätten große Lücken im Verständni­s (siehe Interview) und im mathematis­chen Denken.

 ??  ??
 ??  ?? Was auf den ersten Blick recht abstrakt wirkt, ist ein Lösungsweg der Mathematik-Zentralmat­ura für die AHS.
Was auf den ersten Blick recht abstrakt wirkt, ist ein Lösungsweg der Mathematik-Zentralmat­ura für die AHS.

Newspapers in German

Newspapers from Austria