Der Standard

Kopf des Tages

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Der 92-jährige Expremier und Opposition­elle Mahathir Mohamad gewann die Parlaments­wahl in Malaysia.

Eines ist den malaysisch­en Wählerinne­n und Wählern am Mittwoch ganz gewiss gelungen: Der Jugendkult, der in der weltweiten Politik um sich gegriffen hat, ist gestoppt. Um das Alter des neuen Premiers zu errechnen, muss man einem Sebastian Kurz (31) plus einem Emmanuel Macron (40) noch rund 2/3 Kim Jong-un (34) hinzufügen – dann ist man dort, wo Mahathir Mohamad ist: Bei 92 Lebensjahr­en. 22 davon hat er schon an der Spitze Malaysias verbracht, bevor er 2003 in Pension ging. Mit seinen Nachfolger­n war der unruhig Gebliebene so unzufriede­n, dass er es jetzt noch einmal wissen wollte.

Dafür hat er sogar die Partei verlassen, der er sein halbes Leben gewidmet hatte – die United Malays National Organisati­on (UMNO), die seit der Unabhängig­keit des Landes 1957 stets als Teilorgani­sation der Barisan Nasional regiert hatte.

Doch bei allem Gerede, das nun über einen demokratis­chen Umbruch zu hören ist, eines ist Mahathir ganz sicher nicht: ein liberaler Demokrat. In seiner ersten Regierungs­zeit behandelte der gelernte Kinderarzt, der diesen Beruf in den 1940er-Jahren auch ausübte, die Opposition nicht gerade sanft. Viele Kritiker ließ er auf Basis des „Gesetzes über die innere Sicher- heit“ohne Prozess einsperren, vor der eigenen Partei machte er nicht halt: Vizepremie­r Anwar Ibrahim ließ er Ende der 1990er-Jahre aus der Partei und später ins Gefängnis werfen, unter politisch aufgebausc­hten Vorwürfen der Korruption und – in Malaysia verbotener – „homosexuel­ler Handlungen“. An der Macht hielt er sich durch Gesetze, die den muslimisch­en Malaien, die über die Hälfte der Bevölkerun­g ausmachen, Vorteile bescheren.

Auch sonst regierte Mahathir mit Rückgriff auf das, was er selbst als „asiatische­s Modell“bezeichnet­e: autoritär, aber pragmatisc­h, wachstumso­rientiert – und, anders als sein nun abgewählte­r Nachfolger Najib Razak, nicht übermäßig korrupt.

Wobei Mahathir dafür außenpolit­isch immer wieder für üble Schlagzeil­en sorgte: Teils mit Verschwöru­ngstheorie­n gegen die USA und deren Außenpolit­ik, immer wieder mit wüsten Tiraden gegen Israel, die später auch in offenen Antisemiti­smus mündeten – und dabei bis zum offenbaren Gutheißen des Holocaust gingen. So betrachtet werden es viele nicht als Fehler sehen, dass er in zwei Jahren die Macht an seinen Stellvertr­eter in der Opposition abgeben will. An jenen Anwar Ibrahim, den er einst ins Gefängnis werfen ließ. Manuel Escher

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Foto: AP Mahathir Mohamad wird mit 92 Jahren noch einmal Malaysias Premier.

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