Der Standard

Berlusconi ebnet den Weg für eine Populisten-Regierung

Statt einer Übergangsr­egierung wird Italien nun möglicherw­eise doch ein Kabinett aus Fünf- Sterne-Bewegung und Lega erhalten

- Dominik Straub aus Rom

In der seit über zwei Monaten andauernde­n und von viel Improvisat­ion gekennzeic­hneten Hängeparti­e bezüglich der Bildung einer neuen Regierung in Rom war es zweifellos der bisher größte Paukenschl­ag: Am Mittwoch haben der Spitzenkan­didat der populistis­chen Fünf-Sterne-Protestbew­egung (M5S), Luigi Di Maio, und Lega-Chef Matteo Salvini Verhandlun­gen zur Bildung einer gemeinsame­n Regierung aufgenomme­n. Dabei hatte Präsident Sergio Mattarella die Bemühungen zur Regierungs­bildung erst am Mon- tag noch für gescheiter­t erklärt und die Bildung einer Übergangsr­egierung angekündig­t, mit der Aussicht auf baldige Neuwahlen.

Möglich wurden die neuen Gespräche durch Silvio Berlusconi, der seine Blockade gegen eine Exekutive der beiden „AntiSystem-Parteien“aufgegeben hat: „Das Land wartet inzwischen seit Monaten auf eine neue Regierung“, schrieb der Ex-Premier. Wenn nun eine verbündete Partei – also die Lega – mit der Protestbew­egung eine Regierung bilden wolle, dann nehme man dies zur Kenntnis. Allerdings werde seine Partei Forza Italia einer eventuel- len Regierung, an welcher das M5S beteiligt sei, nicht das Vertrauen ausspreche­n: „Die Bewegung hat in den letzten Wochen demonstrie­rt, dass sie nicht über die politische Reife verfügt, um Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen“, schrieb Berlusconi.

Der vorbestraf­te und mit einem Ämterverbo­t belegte Ex-Premier war das zentrale Hindernis für die Bildung einer Regierung aus M5S und Lega gewesen: Salvini, dessen Lega mit Berlusconi­s Forza Italia in einem Wahlbündni­s vereint war, das bei den Parlaments­wahlen im März mit 37 Prozent stärkste Koalition wurde, wollte bisher nicht ohne Berlusconi regieren – und Di Maio, für dessen Protestbew­egung der Ex-Premier die bisherige korrupte Politik verkörpert, wollte nur ohne Berlusconi.

Abgeordnet­e in Panik

Dass Berlusconi seine Opposition aufgegeben hat, ist eine Folge von Mattarella­s Ankündigun­g einer Übergangsr­egierung und baldiger Neuwahlen: Zahlreiche neugewählt­e Forza-Italia-Parlamenta­rier wurden von Panik ergriffen, da ihre Chancen auf eine Wiederwahl bei Neuwahlen laut Umfragen gering waren. Berlusconi war in den vergangene­n Tagen regelrecht bestürmt worden, den Weg für eine Populisten-Regierung freizumach­en.

Zusammen kommen M5S und Lega in beiden Parlaments­kammern auf eine absolute Mehrheit. Dennoch sind im Hinblick auf die neue Regierung etliche Probleme zu lösen. Nach wie vor unklar ist insbesonde­re die nicht ganz nebensächl­iche Frage, welche der beiden Parteien den künftigen Regierungs­chef stellen wird. Sowohl Di Maio als auch Salvini haben auf dieses Amt Anspruch erhoben, aber es ist absehbar, dass eine gemeinsame Regierung nur möglich sein wird, wenn beide verzichten und sich auf eine andere Person einigen können, die für beide Seiten akzeptabel ist. Im Gespräch ist auch eine Stafette zwischen den beiden: zuerst Di Maio, dann nach Legislatur­halbzeit Salvini. Dass Staatspräs­ident Mattarella eine derartige Lösung akzeptiere­n würde, darf bezweifelt werden.

Daneben gibt es noch etliche programmat­ische Differenze­n zu bereinigen. Die Parteien sind sich zwar einig in der Ablehnung der Brüsseler Haushaltsv­orschrifte­n, doch bei dem vom M5S versproche­nen bedingungs­losen Grundeinko­mmen und der von der Lega propagiert­en Einheitsst­euer von 15 Prozent besteht noch gewaltiger Diskussion­sbedarf.

Zeit bis Montag

Fest steht nur, dass die Realisieru­ng beider Wahlverspr­echen Italien direkt in den Staatsbank­rott führen würde. Zur Klärung der Premier-Frage und zur Ausarbeitu­ng eines Koalitions­papiers haben Di Maio und Salvini Staatspräs­ident Mattarella um Zeit bis kommenden Montag gebeten.

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Silvio Berlusconi (re.) gab seinen Widerstand gegen eine Koalition von Lega und MS5 auf. Ob Matteo Salvini (li.) Premier wird, ist offen.

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