AK-Präsidentin fordert Gehaltsoffenlegung in allen Betrieben
Renate Anderl hält es für einen Rechtsbruch, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen – Wirtschaftskammer hält dagegen
Wien – Vor sieben Jahren sei ein Tiger losgelassen worden – seither werde alles getan, um ihm „die Zähne zu ziehen“, sagt Elias Felten, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Linz. Er spricht von der bis heute deutlich offenen Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern in Österreich und dem 2011 eingeführten Einkommensbericht, der zu ihrer Schließung beitragen soll. „Die Erfolgsbilanz“, urteilt Felten, „ist ernüchternd.“
Aktuelle Regelung: Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern müssen alle zwei Jahre die Gehälter der Mitarbeiter anonym dokumentieren und innerbetrieblich veröffentlichen. Zumindest in der Theorie – denn Sanktionen drohten nicht, wenn sich ein Betrieb nicht daran halte, erklärt Renate Anderl, neue Präsidentin der Arbeiterkammer. Sie will deshalb einen Schritt weiter gehen: „Wir fordern absolute innerbetriebliche Lohntransparenz.“
187 Euro weniger Gehalt
Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass das monatliche Medianeinkommen von Frauen in Österreich um 891 Euro unter dem der Männer liegt. Werden Faktoren wie Teilzeitarbeit, Berufsunterbrechungen für Kinderbetreuung und der niedrigere Lohn in typischen Frauenberufen herausgerechnet, bleibe weiterhin ein „unerklärbarer Rest“von 187 Euro Unterschied (siehe Grafik). Für Anderl ist dies ein Hinweis auf die systematisch schlechtere Bezahlung von Frauen.
Der Einkommensbericht wurde eingeführt, um Frauen zu ermutigen, gleiche Bezahlung einzufordern. Doch viele Arbeitnehmerinnen wüssten gar nicht, dass es diesen Bericht gibt beziehungsweise geben müsste, moniert Anderl. Darüber hinaus würden Unternehmen immer wieder auf den Datenschutz verweisen und Gehälter als „Geschäftsgeheimnis“bezeichnen.
In einem Gutachten für die Arbeiterkammer hat der Arbeitsrechtler Felten nun festgestellt, dass sich nach aktueller Rechtslage Mitarbeiter sehr wohl über ihre Gehälter austauschen und die Daten sammeln dürfen, um gerechte Entlohnung im Fall auch gerichtlich einzufordern. Darüber hinaus sei es kein Problem, wenn sich Arbeitnehmer mit den Gehaltszahlen an Arbeiterkammer oder Gewerkschaft wenden, da die Einkommensberichte für Laien allein schwer lesbar seien. Hierbei würden keine Betriebsgeheimnisse ausgeplaudert, so Felten.
Anderl fordert aber ohnehin mehr: Geht es nach der AK-Chefin, sollten alle Unternehmen – auch jene mit weniger als 150 Mitarbei- tern – die Gehälter intern offenlegen, und das nichtanonymisiert. „Die Heimlichtuerei bei den Löhnen und Gehältern bestärkt die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und schwächt die Position von Arbeitnehmerinnen bei Gehaltsverhandlungen“, sagt die Sozialdemokratin. „Wer daran etwas ändern will, muss für Transparenz sorgen.“
Aktuell rät die Arbeiterkammer-Präsidentin Frauen in Unternehmen mit mehr als 150 Mitarbeitern, sich an den Betriebsrat zu wenden, um den Einkommensbericht einzusehen, und allen anderen, sich mit Kollegen auszutauschen. „Wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer, ist das ein Rechtsbruch“, sagt Anderl.
Unbehagen bei Belegschaft
Bei der Wirtschaftskammer sieht man „keinen Bedarf“, Gehälter in Betrieben offenzulegen oder den Einkommensbericht auszuweiten, heißt es. „Es bereitet Menschen nachweislich Unbehagen, wenn Kollegen wissen, wie viel sie verdienen“, sagt Rolf Gleißner von der sozialpolitischen Abteilung der Arbeitgebervertretung. Außerdem würden die bisherigen Einkommensberichte zeigen, dass es zwar Gehaltsunterschiede gebe, diese jedoch „zumeist objektive Gründe“hätten.