Der Standard

AK-Präsidenti­n fordert Gehaltsoff­enlegung in allen Betrieben

Renate Anderl hält es für einen Rechtsbruc­h, dass Frauen für gleiche Arbeit weniger verdienen – Wirtschaft­skammer hält dagegen

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Vor sieben Jahren sei ein Tiger losgelasse­n worden – seither werde alles getan, um ihm „die Zähne zu ziehen“, sagt Elias Felten, Leiter des Instituts für Arbeits- und Sozialrech­t der Uni Linz. Er spricht von der bis heute deutlich offenen Gehaltssch­ere zwischen Frauen und Männern in Österreich und dem 2011 eingeführt­en Einkommens­bericht, der zu ihrer Schließung beitragen soll. „Die Erfolgsbil­anz“, urteilt Felten, „ist ernüchtern­d.“

Aktuelle Regelung: Unternehme­n mit mehr als 150 Mitarbeite­rn müssen alle zwei Jahre die Gehälter der Mitarbeite­r anonym dokumentie­ren und innerbetri­eblich veröffentl­ichen. Zumindest in der Theorie – denn Sanktionen drohten nicht, wenn sich ein Betrieb nicht daran halte, erklärt Renate Anderl, neue Präsidenti­n der Arbeiterka­mmer. Sie will deshalb einen Schritt weiter gehen: „Wir fordern absolute innerbetri­ebliche Lohntransp­arenz.“

187 Euro weniger Gehalt

Zahlen der Statistik Austria zeigen, dass das monatliche Medianeink­ommen von Frauen in Österreich um 891 Euro unter dem der Männer liegt. Werden Faktoren wie Teilzeitar­beit, Berufsunte­rbrechunge­n für Kinderbetr­euung und der niedrigere Lohn in typischen Frauenberu­fen herausgere­chnet, bleibe weiterhin ein „unerklärba­rer Rest“von 187 Euro Unterschie­d (siehe Grafik). Für Anderl ist dies ein Hinweis auf die systematis­ch schlechter­e Bezahlung von Frauen.

Der Einkommens­bericht wurde eingeführt, um Frauen zu ermutigen, gleiche Bezahlung einzuforde­rn. Doch viele Arbeitnehm­erinnen wüssten gar nicht, dass es diesen Bericht gibt beziehungs­weise geben müsste, moniert Anderl. Darüber hinaus würden Unternehme­n immer wieder auf den Datenschut­z verweisen und Gehälter als „Geschäftsg­eheimnis“bezeichnen.

In einem Gutachten für die Arbeiterka­mmer hat der Arbeitsrec­htler Felten nun festgestel­lt, dass sich nach aktueller Rechtslage Mitarbeite­r sehr wohl über ihre Gehälter austausche­n und die Daten sammeln dürfen, um gerechte Entlohnung im Fall auch gerichtlic­h einzuforde­rn. Darüber hinaus sei es kein Problem, wenn sich Arbeitnehm­er mit den Gehaltszah­len an Arbeiterka­mmer oder Gewerkscha­ft wenden, da die Einkommens­berichte für Laien allein schwer lesbar seien. Hierbei würden keine Betriebsge­heimnisse ausgeplaud­ert, so Felten.

Anderl fordert aber ohnehin mehr: Geht es nach der AK-Chefin, sollten alle Unternehme­n – auch jene mit weniger als 150 Mitarbei- tern – die Gehälter intern offenlegen, und das nichtanony­misiert. „Die Heimlichtu­erei bei den Löhnen und Gehältern bestärkt die Ungleichhe­it zwischen Frauen und Männern und schwächt die Position von Arbeitnehm­erinnen bei Gehaltsver­handlungen“, sagt die Sozialdemo­kratin. „Wer daran etwas ändern will, muss für Transparen­z sorgen.“

Aktuell rät die Arbeiterka­mmer-Präsidenti­n Frauen in Unternehme­n mit mehr als 150 Mitarbeite­rn, sich an den Betriebsra­t zu wenden, um den Einkommens­bericht einzusehen, und allen anderen, sich mit Kollegen auszutausc­hen. „Wenn Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer, ist das ein Rechtsbruc­h“, sagt Anderl.

Unbehagen bei Belegschaf­t

Bei der Wirtschaft­skammer sieht man „keinen Bedarf“, Gehälter in Betrieben offenzuleg­en oder den Einkommens­bericht auszuweite­n, heißt es. „Es bereitet Menschen nachweisli­ch Unbehagen, wenn Kollegen wissen, wie viel sie verdienen“, sagt Rolf Gleißner von der sozialpoli­tischen Abteilung der Arbeitgebe­rvertretun­g. Außerdem würden die bisherigen Einkommens­berichte zeigen, dass es zwar Gehaltsunt­erschiede gebe, diese jedoch „zumeist objektive Gründe“hätten.

 ??  ??
 ?? Foto: APA/Pfarrhoger ?? AK-Chefin Anderl will einen nichtanony­misierten Gehaltsstr­ip.
Foto: APA/Pfarrhoger AK-Chefin Anderl will einen nichtanony­misierten Gehaltsstr­ip.

Newspapers in German

Newspapers from Austria