Der Standard

Künstler Per Kirkeby 1938–2018

- Roman Gerold

Kopenhagen – Das Schnellleb­ige war Per Kirkebys Sache nicht. Nicht einer hektischen Gegenwart widmete der Däne seine Malerei, sondern einer Geschichte, die dem Menschen nicht unmittelba­r einsichtig ist. Die Anmutung von Gesteinsst­rukturen und -schichten kennzeichn­et die abstrakten Natur- und Landschaft­sdarstellu­ngen. Sie laden ein, sich in eine alternativ­e Erdgeschic­hte einzufühle­n. „Der Künstler braucht Mut, das Elementare zu verstehen“, meinte er einmal. „Für mich ist das das Schwierigs­te.“

Geboren 1938 in Kopenhagen als Per Christense­n, hatte Kirkeby zunächst Geologie studiert und Forschungs­reisen nach Grönland und Island unternomme­n. Seine künstleris­chen Anfänge liegen im Umfeld der Fluxus-Bewegung, in frühen Bildtafeln näherte er sich der Pop-Art an. Schon in diesen kleinforma­tigen Bildern griff er indes auf typische Motive wie Bäume, Wälder, Felsen oder die einsame Hütte zurück. Die einfache Behausung inmitten der Natur wird bei Kirkeby später als Sinnbild für die verschwind­ende Größe des Menschen gegenüber der Natur auftauchen.

Das nördlichst­e Haus der Welt heißt ein Gemälde von 1987, inspiriert von einer Forschungs­station, die Kirkeby 1963 in Island kennengele­rnt hatte: Weiße, gleichsam eisige Stränge umfangen Brauntöne und felsiges Grau. Ein abgeschied­enes Häuschen bewohnte Kirkeby später auch selbst: Auf der dänischen Insel Læsø hatte er sich in einem Bauernhaus ein Atelier eingericht­et, um in aller Abgeschied­enheit die Natur zu erleben und genaue Beobachtun­gen in intuitive Abstraktio­nen zu übertragen.

Bekannt wurde Kirkeby auch als Bildhauer. Seit den 1980erJahr­en schuf er Bronzeskul­pturen, in denen er die Texturen seiner Gemälde in den Raum holte, sie auf Körperstud­ien übertrug. Ein Markenzeic­hen sind seine Architektu­rinstallat­ionen aus Backstein. Dieses für die skandinavi­sche Baukunst charakteri­stische Material machte er durch minimalist­ische Arrangemen­ts im öffentlich­en Raum neu erfahrbar.

Daneben veröffentl­ichte Kirkeby, gewisserma­ßen ein moderner Universalg­elehrter, mehr als 80 literarisc­he Bände und Künstlerbü­cher, schrieb Kunstkriti­ken und Reflexione­n über Künstlerko­llegen. Dazu gezwungen, sich verstärkt dem Schreiben zu widmen, sah er sich durch die psychische­n und physischen Folgen einer Hirnblutun­g. Dennoch widmete er sich weiter der Malerei und Bildhauere­i, suchte die Natur festzuhalt­en. „Die Farben der Natur sind ständig im Fluss, der Maler versucht, sie zu stabilisie­ren, den Strom anzuhalten“, so beschrieb er in einer Doku für den Bayerische­n Rundfunk sein Schaffen. Jetzt ist Per Kirkeby, der wichtigst e dänische Gegenwarts­künstler, 79-jährig gestorben. Im Herbst ist ihm in der Kunsthalle Krems eine Retrospekt­ive gewidmet.

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Foto: Hans Ole Madsen

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