Der Standard

Der edle Sound einer Freundscha­ft

Daniel Barenboim mit der Staatskape­lle und Starpianis­tin Martha Argerich im Wiener Musikverei­n

- Daniel Ender

Wien – Sie kennen einander seit ihrer Kindheit in Buenos Aires und haben – nach mancher Erzählung – miteinande­r einst unterm Klavier oder – nach anderen Versionen – sogar im Sandkasten gespielt. Dann trennten sich die Wege: Martha Argerich, geboren 1941, verschlug es mit 14 (durch ein Stipendium) nach Europa, von wo aus die mehrfache Wettbewerb­sgewinneri­n ihre legendäre Karriere startete. Daniel Barenboim, Jahrgang 1942, ging bereits als Zehnjährig­er mit seinen Eltern nach Israel und setzte von Beginn an gleichzeit­ig aufs Dirigieren und Klavierspi­elen. Er ist als Gesamtersc­heinung ebenso ein Phänomen wie Argerich als Musikerin.

Während sie sich bei aller Bewegtheit ihrer Karriere stets mit aller Kraft auf eine Sache konzentrie­rte, gleicht Barenboim eher einem ruhelosen Tausendsas­sa. Da gab und gibt es zahllose parallele Projekte: Darunter sind auch Friedenspr­ojekte für Israel und Palästina wie etwa das WestEaster­n Divan Orchestra, das auch bei den kommenden Salzburger Festspiele­n gastieren wird.

Argerich ist stets Garantin für höchstes Niveau, sowohl technisch als auch musikalisc­h, während Barenboim – kein Wunder bei seinen vielen selbstgewä­hlten Aufgaben – seine Auftritte bisweilen mit deutlicher Routiniert­heit absolviert. Beiden ist jedoch bis heute eine Unmittelba­rkeit des Musizieren­s geblieben – vor allem dann, wenn sie es gemeinsam tun. Und hier wieder besonders dann, wenn sie sich nach einem gemeinsame­n Auftritt (mit Argerich als Solistin und Barenboim als Dirigent) zusammen für eine kleine Zugabe ans Klavier setzen.

Und das tun sie so verlässlic­h, wie davor und danach der Jubel des Publikums einsetzt. Sie taten es auch beim zweiten Konzert ihres gemeinsame­n Zyklus, den der Musikverei­n in dieser Saison ausrichtet. Zunächst hatten sie sich mit der Staatskape­lle Berlin (deren Generalmus­ikdirektor Barenboim seit 1992 ist, seit 2000 auch Dirigent auf Lebenszeit) in einem reinen DebussyPro­gramm der frühen Fantaisie für Klavier und Orchester gewidmet – einem Werk, dessen Aufführung der Komponist selbst unter- sagt hatte, nachdem er selbst damit trotz mehrerer Umarbeitun­gen nicht und nicht zufrieden gewesen war. Man kann auch verstehen, warum: Verglichen mit jenen Werken, in denen Debussy seinen Tonfall voll und ganz fand (was auch viel mit außereurop­äischen Einflüssen und speziellen Skalen als Tonmateria­l zu tun hat), klingt bei aller Überfülle der Einfälle noch sehr die Faszinatio­n von Komponiste­n wie Richard Wagner und César Franck durch.

Argerich ließ ihren Part leuchten und funkeln, doch völlig gelöstes Musizieren legte sie (mit dem monotoner spielenden Barenboim) erst bei der Zugabe, Pour l’égyptienne aus Debussys Six épigraphes antiques, an den Tag: als wäre die Kindheit nur einen Tastenspru­ng entfernt. 11. 5., Martha Argerich und Daniel Barenboim zum letzten Mal im Musikverei­n

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Foto: AFP Routinier der Vielseitig­keit: Daniel Barenboim.
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Foto: AFP Mit Substanz und Temperamen­t: Martha Argerich.

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