Der Standard

Strache in der Zeitschlei­fe

- Petra Stuiber

Heinz-Christian Strache darf sich freuen. Drei Persönlich­keiten, die nicht im Verdacht des Opportunis­mus stehen, gestehen dem Vizekanzle­r und Parteichef zu, er wolle ehrlich mit Nazi-Nostalgie und Antisemiti­smus in der FPÖ aufräumen. „Ihm persönlich nehme ich das ab“, relativier­te der Schriftste­ller Michael Köhlmeier ziemlich überrasche­nd in der ZiB 2 nach seiner regierungs­kritischen Rede zum Befreiungs­tag. Ähnlich hatten sich zuletzt im STANDARD der Zeithistor­iker Oliver Rathkolb und, bereits im Februar, der Politologe Anton Pelinka geäußert.

Aber Strache ist kein Autokrat (was grundsätzl­ich positiv ist), er kann seiner Partei nichts verordnen, wenn diese nicht will. Und offenbar will sie nicht, und dem Parteichef mangelt es in dieser Frage an Autorität. Strache hat sich beispielsw­eise in Sachen Historiker­kommission nicht durchsetze­n können. Die Kommission, welche die Geschichte der FPÖ aufarbeite­n soll, kann ihre Arbeit nicht ordentlich machen, wenn sie nicht auch die schlagende­n Burschensc­haften durchleuch­ten darf. Die mögen zwar nicht Teil der FPÖ sein – aber sie sind wichtige Vorfeldorg­anisatione­n, aus denen der Parteinach­wuchs rekrutiert wird. Umso mehr wenn man bedenkt, welche FPÖ-Politiker Spitzenpos­itionen in Regierung und Parlament innehaben – und mit wem sie sich in ihren Büros und Kabinetten umgeben.

Nun kann man nicht alle Burschen- und Mädelschaf­ten, Sänger- und Landsmanns­chaften in denselben braunen Topf werfen. Aber dass alle in hehrer rechtslibe­raler Tradition die bürgerlich­e Revolution von 1848 hochhalten, wie das etwa Andreas Mölzer gern behauptet, ist eine Verharmlos­ung. Das zeigen die ständig aufpoppend­en „Einzelfäll­e“von Verherrlic­hung und/oder Verharmlos­ung von Nazi-Gedankengu­t. Wo nichts ist, kann nichts aufpoppen, und wo etwas ist, dort sollte man genau hinschauen.

Die FPÖ, und mit ihr Strache, scheint sich in einer Zeitschlei­fe zu drehen. Schon Jörg Haider stützte sich bei seinem politische­n Aufstieg ab Mitte der 1980er-Jahre auf die Burschensc­hafter. Als die damalige Vizekanzle­rin Susanne Riess-Passer den „braunen Rand“wieder loswerden wollte, war das mit ein Grund, warum es die FPÖ in der ersten schwarz-blauen Koalition zerriss.

Strache schaffte den Aufstieg an die Parteispit­ze mithilfe derselben Seilschaft­en. Für den nunmehrige­n Vizekanzle­r ist es ein ständiger Balanceakt, einerseits jene nicht zu verärgern, die ihn politisch (noch) stützen, anderersei­ts als Regierungs­partner aus dem Schmuddele­ck herauszuko­mmen. Mitunter stolpert er dabei auch über sich selbst und fällt in alte Muster zurück: etwa indem er die antisemiti­sch codierten Verschwöru­ngstheorie­n seiner Leute gegen George Soros („stichhalti­ge Gerüchte“) auch noch verteidigt.

Dennoch: Es gibt Fortschrit­te. Am Mittwoch ist der Salzburger RFJ-Obmann zurückgetr­eten (worden), weil er als 15-Jähriger mit Nazi-Gedankengu­t sympathisi­ert hat. Zumindest ist es Strache offenbar gelungen, der FPÖ eine Art Rücktritts­kultur nach „Einzelfäll­en“zu verordnen.

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