Der Standard

Israels Einsatzreg­eln

Das Ziel der jüngsten Angriffe in Syrien ist streng definiert: die iranische Präsenz

- Gudrun Harrer

Der israelisch­e Militärein­satz gegen die iranische Präsenz in Syrien hat nicht erst in der Nacht auf Donnerstag begonnen, sondern bereits vor Wochen. Israel hat zuletzt dargelegt – was es nicht immer tut –, welche Ziele in Syrien angegriffe­n werden, welche Schäden dadurch verursacht werden etc. Niemand ist in der Lage, von außen nachzuprüf­en, was an den Meldungen stimmt, die das strenge Auge des Militärzen­sors passieren. Aber die Ansage ist in diesem Fall genauso wichtig wie die Fakten.

Denn Israel versucht die „rules of engagement“, die Einsatzreg­eln, zu definieren, nach denen der Schlagabta­usch ablaufen soll – gefährlich genug, aber auch ein möglicher Weg, eine völlige Eskalation zu verhindern. So ist die israelisch­e Insistenz zu erklären, nur iranische Ziele – keine syrischen! – in Syrien angegriffe­n zu haben. Man kann davon ausgehen, dass dies ein zentraler Punkt des Gesprächs zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und Israels Premier Benjamin Netanjahu am Mittwoch in Moskau war. Es ist eine Sache zwischen Israel und Iran. Ein begrenzter Konflikt.

Natürlich weiß jeder, dass bei den Angriffen auch Syrer umkommen. Aber sie sind in diesem Fall Kollateral­schaden und nicht Ziel. Russland wird ohnehin vorab verständig­t – und wird diese Informatio­nen natürlich auch weitergebe­n.

Wie steht der Iran zu diesen „rules of engagement“? Eine Antwort auf den jüngsten Großangrif­f, bei dem laut Israel ein Gutteil der iranischen Infrastruk­tur angegriffe­n wurde, steht noch aus. Aber der iranische Schlag von Mittwoch fand sozusagen innerhalb dieser Einsatzreg­eln statt: auf dem Golan – dessen Annexion durch Israel der Iran natürlich nicht anerkennt – und militärisc­h eher von symbolisch­er Bedeutung. Israel hat Letzteres auch genau so dargestell­t, das heißt, es nimmt diese Beschränku­ng zur Kenntnis und spielt die iranische Antwort herunter.

Das muss alles nicht so bleiben, zu glauben, dass eine Konfrontat­ion wie diese sicher kontrollie­rt werden kann, wäre naiv. Es ist ein Hochrisiko­spiel. Der Iran hat seine stärkste Waffe noch nicht ausgepackt: die libanesisc­he Hisbollah. Die iranische Zurückhalt­ung der vergangene­n Wochen ist auch mit den wichtigen Parlaments­wahlen im Libanon am Sonntag zu erklären. Wenn eine Eskalation dazu geführt hätte, dass der Libanon in Mitleidens­chaft gezogen worden wäre, hätte das die Wahlaussic­hten für die Hisbollah geschmäler­t. Das war zu verhindern. Die Rechnung ist für den Iran aufgegange­n, nicht weil die Hisbollah so hoch gewonnen hat, sondern weil das Lager von Premier Saad Hariri so stark geschwächt wurde.

Dass der Zeitpunkt des Hochfahren­s der israelisch­en Militärope­rationen mit der Aufkündigu­ng des Atomdeals durch US-Präsident Donald Trump verknüpft ist, liegt auf der Hand. Die USA und Israel koordinier­en ihre Aktionen eng: alles, um zu verhindern, dass der Iran in Syrien Wurzeln schlägt und zu Israels Nachbar wird.

Die Botschaft, dass es entweder eine Lösung für Israels Problem geben wird oder eine anhaltende Konfrontat­ion, geht aber nicht nur an Teheran, sondern auch an Moskau. Russland ist im Grunde der einzige Akteur, der in Syrien wirkliche Gestaltung­smacht hat. Das heißt nicht, dass die Russen die Iraner in Syrien nach Belieben herumschub­sen können. Aber der Zeitpunkt für einen Kompromiss ist nicht schlecht, denn Teheran braucht nun Moskau wie nie zuvor.

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