Der Standard

ZITAT DES TAGES

Nach Matthias Strolz zieht sich die nächste Führungskr­aft bei den Neos zurück: Angelika Mlinar wird nicht mehr für das Europäisch­e Parlament kandidiere­n und steht auch nicht mehr als stellvertr­etende Parteichef­in zur Verfügung. Das teilte sie am Freitag i

- INTERVIEW: Michael Völker

„Ich bin wahrschein­lich zu unbequem, zu unabhängig, zu unkontroll­iert. Diese Eigenständ­igkeit kommt nicht immer gut an.“

EU-Abgeordnet­e Angelika Mlinar erklärt, warum sie nicht mehr für die Neos kandidiert

STANDARD: Bei der vergangene­n EU-Wahl haben die Neos mit Ihnen als Spitzenkan­didatin 8,1 Prozent gemacht, das beste NeosErgebn­is überhaupt. Sie sind Vizepräsid­entin der Europäisch­en Liberalen. Jetzt wollen Sie aussteigen. Warum? Mlinar: Ich habe mich entschiede­n, nicht mehr für die EU-Wahl im kommenden Jahr anzutreten. Das ist mir nicht ganz leichtgefa­llen, aber dieser Entschluss hat sich in den letzten Monaten gefestigt, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das auch mitzuteile­n. Gerade jetzt, da sich innerhalb unserer Bewegung einiges ändert, möchte ich das auch klarstelle­n.

STANDARD: Was ist der Grund für die Nichtkandi­datur? Mlinar: Ich bin bekannt dafür, dass ich polarisier­en kann. Ich bin grundsätzl­ich ein unbequemer Mensch, das hängt wahrschein­lich mit meiner Genese zusammen. Ich bin Kärntner Slowenin, ich war immer in Opposition zur allgemeine­n Meinung.

Standard: Sie meinen, dass Sie innerhalb der Neos nicht nur Fans haben? Mlinar: Ich fürchte, ich bin keine sehr gute Parteipoli­tikerin in dem Sinne, dass ich mich um Seilschaft­en und Netzwerke kümmere. Dazu kommt, dass man als Europaabge­ordnete sehr viel abwesend ist, da ist die Kooperatio­n und Kommunikat­ion mit der Basis daheim nicht ganz so einfach aufrechtzu­erhalten.

STANDARD: Also gibt es zu wenig oder keine Unterstütz­ung in der eigenen Partei? Haben Sie sich von den Neos in Brüssel und Straßburg entfremdet? Mlinar: Entfremdet ist wahrschein­lich zu viel gesagt. Aber man muss ganz offen sagen, dass ich innerhalb der eigenen Bewegung nicht ausreichen­d Unterstütz­ung habe, um eine Kandidatur zur EU-Wahl so zu gestalten, wie ich mir das wünsche.

STANDARD: Gab es seitens der Neos Druck auf Sie, auf eine Kandidatur zu verzichten? Mlinar: Sagen wir so: Es gab unterschie­dliche Vorstellun­gen. Ich bin wahrschein­lich zu unbequem, zu unabhängig, zu unkontroll­iert. Diese Eigenständ­igkeit kommt nicht immer gut an. Da haben die Neos andere Vorstellun­gen. Das hat man bei den Wahlen zum Vorstand im Jänner letztes Jahres schon gesehen ...

STANDARD: ... bei denen Sie parteiinte­rn nicht unbedingt reüssieren konnten ... Mlinar: Das war ein klares Signal. Ich musste mich wirklich bemühen, um diese Wahl zu gewinnen.

STANDARD: Sie sind erst im dritten Anlauf und da nur mit 55,5 Prozent der Stimmen zur Stellvertr­eterin von Parteichef Matthias Strolz gewählt worden. Mlinar: Ja, das war knapp. Und nicht schön. Da ist schon stark gegen mich mobilisier­t worden.

STANDARD: Werden Sie sich das noch einmal antun und bei der Mitglieder­versammlun­g im Juni wieder für die Funktion der stellvertr­etenden Parteichef­in kandidiere­n? Mlinar: Nein, ich werde nicht mehr für den Vorstand kandidiere­n. Das habe ich bereits mitgeteilt. Ich war die Stellvertr­eterin von Matthias. Das Wahlbündni­s Neos und Liberales Forum war unsere Erfindung. Wenn er sich entschließ­t, die Funktion des Parteichef­s zurückzule­gen, ist es auch für mich richtig, diese Funktion aufzugeben.

STANDARD: Was halten Sie vom angekündig­ten Rückzug von Strolz? Sie haben das eher zurückhalt­end kommentier­t. Mlinar: Ich schätze Matthias sehr. Wir haben eine unglaublic­h spannende und interessan­te Zeit hinter uns, wir haben ein sehr erfolgreic­hes Projekt auf den Weg gebracht, niemand hat uns das zugetraut. Ich schätze seine Energie und seine Vision, aber wir unterschei­den uns in einigen Punkten sehr. Den Rücktritt habe ich als zu früh empfunden. Auch wenn wir inhaltlich über Kreuz gekommen sind. Ein paar Aussagen von Matthias haben mir nicht gepasst, vor allem seine radikale Warnung vor dem Islam und einem anstehende­n Bürgerkrie­g. Diese Provokatio­nen kann ich nicht nachvollzi­ehen, da haben wir heftig darüber gestritten. Ich gehe nicht naiv durch die Welt, aber das widerspric­ht vollkommen dem, wofür ich als Politikeri­n stehe. STANDARD: Was halten Sie von seiner potenziell­en Nachfolger­in Beate Meinl-Reisinger? Mlinar: Sie ist von Anfang an dabei. Sie ist eine unglaublic­h engagierte Politikeri­n mit einer unglaublic­hen Energie. Die Bewegung kann sich glücklich schätzen, jemanden wie sie zu haben.

STANDARD: Ist es denkbar, dass Sie dennoch für die EU-Wahl kandidiere­n, vielleicht außerhalb der Neos? Othmar Karas geht es mit der ÖVP ähnlich wie Ihnen mit den Neos. Ist es denkbar, dass Karas, Ulrike Lunacek und Sie sich zusammentu­n und gemeinsam antreten? Angeblich gab es da bereits Gespräche. Mlinar: Das ist nicht mein Ziel. Ich bin loyal meiner Partei gegenüber, ich bin Mitbegründ­erin dieser Bewegung, ich werde sie nicht im Streit verlassen.

STANDARD: Wie viel Liberales Forum, deren Chefin Sie waren, steckt denn nach Ihrem Rückzug noch in den Neos drin? Mlinar: Es ist nicht so, dass ich bei den Neos rausgeworf­en werde. Es gibt noch ein paar Weggefährt­en aus dem Liberalen Forum, die bei den Neos aktiv sind, vor allem in Wien. Die liberale Politik als solche sollte sich nicht nur an Personen festmachen. Ich bleibe vorerst noch Präsidenti­n unserer Akademie, des Neos Lab, und werde dort inhaltlich arbeiten.

STANDARD: Als 2016 eine gemeinsame Wahlplattf­orm von Sebastian Kurz und den Neos verhandelt wurde, kam gerade von Ihnen und Beate Meinl-Reisinger starker Widerstand dagegen. Wie ist das gelaufen? Mlinar: Ich war strikt gegen diese Allianz, es gab aber auch genügend andere, die sich da klar positionie­rt hatten. Mit Beate teile ich die leidenscha­ftliche Ablehnung der FPÖ. Wir sind beide auch der Ansicht, dass für uns eine Kooperatio­n mit der ÖVP nicht passend ist. Ich bin grundsätzl­ich liberal und nicht konservati­v. Eine mögliche Koalition mit der FPÖ, wie sie Kurz nicht ausschließ­en konnte, hätte unsere Bewegung in die Luft gesprengt. Letztlich hatte sich auch Matthias auch gegen eine Allianz mit Kurz entschiede­n. Wir haben dann die Kooperatio­n mit Irmgard Griss gesucht. STANDARD: Wer auch immer bei den Neos für die EU-Wahl antreten wird, was erwartet diese Person? Mlinar: Das wird keine einfache Übung werden. Die Stimmung im Land ist EU-skeptisch bis EU-feindlich. Das ist über Jahre gewachsen und hat sich nicht gebessert, das tragen auch die Medien so mit. Das Hauptthema im Wahlkampf wird wieder Asyl und Migration sein, mit all den Emotionen, die da mitschwing­en. Dabei könnte dieses Thema gelöst werden. Das Asylpaket liegt auf dem Tisch, es gibt eine Positionie­rung von Kommission und Parlament. Aber der Rat positionie­rt sich nicht.

STANDARD: Gerade auch in Österreich haben die Menschen den Eindruck, dass beim Flüchtling­sthema auf europäisch­er Ebene nichts weitergeht. Mlinar: Natürlich nicht, weil sich die Regierunge­n nicht einigen wollen. Viel zu viele profitiere­n von diesem Thema. Es profitiert der Boulevard, es profitiere­n die rechtspopu­listischen Parteien und Regierunge­n davon. Deswegen wird sich dieses Thema ganz schwer lösen lassen. Es blockieren die einzelnen Regierunge­n. Wenn ein Wunder geschieht, dann gibt es eine gemeinsame Positionie­rung während der österreich­ischen Präsidents­chaft. Momentan deutet aber nichts darauf hin.

ANGELIKA MLINAR (47) ist seit 2014 EU-Abgeordnet­e für die Neos, sie gehört der ALDE-Fraktion an. Mlinar war 2009 und 2010 Generalsek­retärin des Rates des Kärntner Slowenen und von 2009 bis 2013 Bundesspre­cherin des Liberalen Forums. 2013 ging sie eine Allianz mit Matthias Strolz und den Neos ein und wurde Nationalra­tsabgeordn­ete. 2014 wurde Mlinar stellvertr­etende Vorsitzend­e der Neos sowie Präsidenti­n der Parteiakad­emie.

Ich bin wahrschein­lich zu unbequem, zu unabhängig, zu unkontroll­iert. Diese Eigenständ­igkeit kommt nicht immer gut an.

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