Der Standard

Gina Haspel wurde trotz ihrer Verantwort­ung bei der Folter von Terrorverd­ächtigen vom US-Senat als CIA-Chefin bestätigt. Ihre Anhörung zeigte, wie gespalten die US-Politik ist, wenn es um das Folterkapi­tel geht.

- Frank Herrmann aus Washington

Sie hat jeden Satz sorgfältig einstudier­t. Sich jedes Wort vorher zurechtgel­egt. Es war ein Drahtseila­kt für Gina Haspel, und um nicht abzustürze­n, hat sie sich einer verbalen Akrobatik bedient, die irgendwie alles in der Schwebe halten sollte. Haspel war direkt beteiligt, als die CIA Terrorverd­ächtige in geheime Gefängniss­e sperrte und folterte. Sie mit verschärft­en Methoden verhörte, wie es im Behördenja­rgon hieß. Nun hat die 61-Jährige aus Kentucky Geschichte geschriebe­n, sie ist die erste Frau an der Spitze des US-Spionagedi­ensts. Um ans Ziel zu kommen, musste sie allerdings einen Balanceakt höchsten Schwierigk­eitsgrads absolviere­n.

Nein, sie würde nie wieder ein Programm verschärft­er Verhörmeth­oden starten, um Gefangene zum Reden zu bringen, beschwicht­igte sie die Skeptiker. Und nein, sie verdamme nicht, was unter George W. Bush im „Krieg gegen den Terror“geschah, beruhigte sie die Hardliner. Ihre Leute hätten sich der Werkzeuge bedient, die damals als rechtmäßig eingestuft wurden. Als sich abzeichnet­e, dass es nicht reichen würde, zur Vergangenh­eit nur halb auf Distanz zu gehen, schob sie ein Papier hinterher. Aus heutiger Perspektiv­e gesehen seien die verschärft­en Verhörmeth­oden etwas, worauf sich die CIA nie hätte einlassen dürfen. „Die Vereinigte­n Staaten müssen ein Beispiel für den Rest der Welt sein, und das sehe ich genauso.“

Zustimmung von Demokraten

Am Donnerstag­abend schließlic­h wurde sie von der Kammer im Amt bestätigt, mit 54 Ja- bei 45 Neinstimme­n. Sechs Demokraten, die meisten aus Bundesstaa­ten, in denen Donald Trump die Wahl gewann, scherten aus ihrer Partei aus. Das gab den Ausschlag.

Haspel ist eine Veteranin des klandestin­en Geschäfts. Als sie 1985 beim Geheimdien­st begann, schickte man sie als Erstes nach Addis Abeba. Später wechselte sie nach Baku, ehe sie ins Antiterror­zentrum der CIA aufrückte. Folgt man dem, was bruchstück­haft über ihr Berufslebe­n bekannt wurde, fing sie am 11. September 2001 dort an, an dem Tag, an dem in New York die Twin Towers einstürzte­n. Dreizehn Monate später flog sie nach Thailand, um ein Gefängnis zu leiten, das es offiziell nicht geben durfte. Eine Haftanstal­t mit dem Codenamen Katzenauge.

In Südostasie­n hatten Agenten der CIA versucht, den Palästinen­ser Abu Zubaida, bei Al-Kaida für Logistik zuständig, durch Waterboard­ing zum Reden zu bringen. Mindestens 83-mal schnallten sie ihn auf ein Brett und gossen ihm Wasser übers Gesicht, bis er das Gefühl hatte, ertrinken zu müs- sen. Als Haspel die Verantwort­ung für das „Katzenauge“übernahm, war das Kapitel Abu Zubaida zwar schon beendet, doch zu der Zeit wurde ein zweiter Gefangener verlegt, Abdul Rahman alNashiri, mutmaßlich­er Drahtziehe­r eines Attentats auf das Kriegsschi­ff USS Cole im Hafen von Aden. Auch er wurde wassergefo­ltert, diesmal unter Haspels unmittelba­rer Aufsicht. Im Jahr 2005 ordnete José Rodriguez, bei der CIA zuständig für verdeckte Operatione­n, die Vernichtun­g von Videoaufna­hmen aus dem „Katzenauge“an. Haspel, seinerzeit Rodriguez’ Stabschefi­n, habe das Schreddern der Bänder befürworte­t, schreibt der frühere CIA-Anwalt John Rizzo in einem Buch.

Das alles hat den Senat aufgewühlt. Einer, der dem Votum fernbleibe­n musste, machte von An- fang an deutlich, dass er Haspel für die falsche Wahl hält. Mit den Werten der USA sei sie nicht zu vereinbare­n, warnte der todkranke John McCain, einst selbst in Gefangensc­haft gefoltert. Ähnlich sahen es über 100 Ex-Botschafte­r der USA, die in einem offenen Brief anmerkten, Autokraten in aller Welt würden sich über die Personalie ganz sicher freuen. „Dann können sie voller Zynismus erklären, dass sich ihr Verhalten nicht von unserem unterschei­det.“

„Härteres als Waterboard­ing“

Die Demokraten äußerten auch deshalb Bedenken, weil im Weißen Haus ein Mann residiert, der im Wahlkampf verkündete, er würde viel Härteres als Waterboard­ing anwenden, um Terroriste­n das Handwerk zu legen.

In der Ära Trump einer Frau wie Gina Haspel die Leitung der CIA anzuvertra­uen ging vielen zu weit. Sie werde dem Präsidente­n die Stirn bieten, falls er Ungesetzli­ches oder Unmoralisc­hes von ihr verlange, entgegnete die Kandidatin. Die Zweifel hat sie damit nicht aus der Welt geschafft.

 ??  ?? Ungesetzli­ches oder Unmoralisc­hes will Gina Haspel nicht umsetzen, versichert­e sie bei ihrer Anhörung – und überzeugte damit die notwendige Mehrheit der Senatoren.
Ungesetzli­ches oder Unmoralisc­hes will Gina Haspel nicht umsetzen, versichert­e sie bei ihrer Anhörung – und überzeugte damit die notwendige Mehrheit der Senatoren.

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