Zwischen Krankenhaus und Anklagebank
Beliebt macht man sich als Türsteher selten: weder bei den Gästen noch bei der Polizei oder vor Gericht. Gewalt ist keine Unbekannte. Eine verpflichtende Ausbildung gibt es nicht.
Heute hat Werner seine Stichweste angezogen. Es ist kurz vor elf am Abend, und seine Schicht hat gerade erst begonnen. Der 39-Jährige steht am Salzburger Rudolfskai und zündet sich eine Zigarette an. „Sobald die Leute das Gefühl haben, dass sie sich bei dir alles erlauben können, hast du verloren“, sagt er und bläst Rauch in die Luft. Sein Kollege Mike (Name auf Wunsch geändert, Anm.) nickt. Doch heute hat noch niemand Ärger gemacht.
Seit 15 Jahren steht Werner vor den Türen von Bars und Clubs. Er sucht sich aus, wen er reinlässt. Grundlage dafür bietet sein Bauchgefühl. Nicht immer sind alle zufrieden mit seiner Entscheidung. Es kommt auch vor, dass einer zuschlägt.
Sein Kollege verzichtet auf eine Weste. Zu einer schwarzen Hose und schwarzen Jacke trägt Mike schwarze Lederhandschuhe, die quietschen, wenn er seine Finger ineinandersteckt, um sie zu dehnen. Bald werden es 25 Jahre, die Mike vor der Tür angesammelt hat. Er sieht seinen Job entspannt. Gründe, Angst zu haben, müsste er aber nicht lange suchen. Da wäre etwa die eine Geschichte, als er zwei 16-Jährigen, die schon ordentlich über den Durst getrunken hatten, den Eintritt verwehrte. Kurze Zeit später hatte er eine Waffe an der Schläfe. Mit einem Kollegen hat er sie überwältigt. „Als wir den Polizisten die Waffe übergeben haben, hat sie das komplett nervös gemacht“, lacht Mike und nippt an seinem Energydrink. „Die hat das überfordert.“
Das Hausrecht durchsetzen
Die aktuellsten Zahlen des Innenministeriums zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Türstehern stammen aus dem Jahr 2011. Und selbst die sind unvollständig: Insgesamt 710 gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitspersonal von Discos oder von öffentlichen wie privaten Veranstaltern mit Gästen wurden im Jahr 2011 dokumentiert, exklusive Wien und Oberösterreich. 365 Anzeigen gegen Gäste standen 397 Anzeigen gegen Securitypersonal gegenüber. Die Dunkelziffer dürfte die Anzahl um ein Vielfaches übersteigen.
Im Rahmen ihres Jobs sind Türsteher befugt, das Hausrecht durchzusetzen und zu bestimmen, wer hinein darf. Prügelt sich jemand in einem Lokal, kann aber jeder einschreiten, der sich dazu in der Lage sieht. Solange man ein angemessenes Ausmaß an Gewalt anwendet. Zündet sich zum Beispiel jemand eine Zigarette im Nichtraucherbereich an, darf man diesen nicht per Taser nach draußen befördern.
Seit drei Stunden steht sich der Mann mit der rot-schwarzen Karojacke, der sich Elvis nennt, bereits die Beine in den Bauch. Er trägt eine Haartolle, auf der rechten Wange hat er eine Träne tä- towiert. In einem kleinen, rechteckigen Glaskobel vor dem Eingang einer Disco prüft er mit zusammengekniffenen Augen die Gäste, die auf ihn zumarschieren. Kalter Rauch sammelt sich in dem engen Vorraum.
„Ich muss ihre Grundstimmung bereits erkennen, bevor sie vor mir stehen“, sagt er. Kurz bevor die Gäste da sind, macht er ihnen die Türe auf. Seine Hände, die normalerweise in der Hosentasche stecken, kommen dann kurz samt Schlagring zum Vorschein. Er befiehlt, die Haube abzunehmen oder das Messer, das in der Hosentasche steckt, bei ihm abzugeben. Dann schleust er sie durch den engen Gang in die Disco und schließt die Tür hinter ihnen.
Vor Gericht kennt Elvis sich aus. So wie er das sieht, gehört das einfach zu seinem Job dazu. „Als Türsteher bist du mit einem Fuß im Krankenhaus und mit dem anderen im Knast“, sagt er. Früher sei es gemächlicher zugegangen als heute. Immer öfter würden Waffen bei Konflikten zum Einsatz kommen. „Jeder rennt jetzt mit einem Pfefferspray herum. Sie haben Angst vor den Flüchtlingen“, sagt er und verdreht die Augen. „Als Türsteher schaust der Gesellschaft beim Vertrotteln zu.“
Immer wieder wurde über eine einheitliche Ausbildung für das Bewachungsgewerbe diskutiert. Der Verband der Sicherheitsunternehmen Österreichs (VSÖ) macht seit Jahren auf die mangel- hafte Ausbildung der Sicherheitskräfte aufmerksam. Auch Türsteher seien hier miteingeschlossen, sagt VSÖ-Geschäftsführer Thomas Forstner.
Forstner möchte, dass jeder Mitarbeiter eine Schulung samt Prüfung erfolgreich absolvieren und eine positive sicherheitspolizeiliche Überprüfung vorweisen muss.
Auch beim Fachverband der gewerblichen Dienstleister in der Wirtschaftskammer ist man von der Idee einer Basisausbildung angetan. Es sei angedacht, eine solche für das Bewachungsgewerbe zu entwickeln, sagt Thomas Kirchner von der WKO. Die konkreten Ausbildungsinhalte stünden allerdings noch nicht fest und müssten auch noch mit dem Wirtschaftsministerium akkordiert werden. Dort bestätigt man, dass die Gespräche noch am Anfang stehen. Eine Ausbildung in Form einer Lehre komme laut WKO allerdings nicht infrage.
Unterschiedliche Klientel
Für Türsteher vor Bars und Discos würde diese Ausbildung aber ohnehin nur dann schlagend werden, wenn sie über eine Bewachungsfirma vermittelt werden und nicht direkt beim Wirt angestellt sind, der freie Hand bei der Auswahl seiner Securitys besitzt. Der zweite Fall dürfte nach Einschätzung von Experten aber weitaus überwiegen. Geht es nach Forstner vom VSÖ, soll zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied mehr gemacht werden: Beide sollen eine Grundausbildung mit einer anschließenden spezifischen Fachausbildung durchlaufen müssen.
Eine allgemeine Schulungsverpflichtung lehnt der Fachverband Gastronomie jedoch ab. Es könne in der Gastronomie rechtlich problematisch sein, da es schwierig abzugrenzen sei, wer formell als Türsteher agiere und wer nicht, meint WKO-Referent Michael Hardt. Auch Personen mit Vorstrafen generell vom Berufsstand auszuschließen, erscheint Hardt „nicht verhältnismäßig“.
„In Wahrheit bin ich ein unterbezahlter Psychologe“, meint Werner und hat dafür Beispiele parat: Einmal sei ein Gast überzeugt davon gewesen, er sehe tote Menschen. Ein anderer wollte seine verlorengegangene Jacke anrufen. Eine fix geregelte Ausbildung würde Werner begrüßen: „Dann würden vielleicht nicht mehr so viele Deppen vor der Tür arbeiten.“
Im Zuge ihrer Arbeit haben die Türsteher sowohl mit Teenies und Obdachlosen, aber auch mit Staatsanwälten und Uniprofessoren zu tun. „Man glaubt nicht, wer sich beim Fortgehen aller daneben benimmt“, sagt Werner und schmunzelt. „Ich hab auch schon einem Polizeischüler eine betoniert.“pLangfassung auf derStandard.at/
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