Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

Unterwegs mit Major Tom

- Von Julya Rabinowich

Wenn jeder Mensch in seinem eigenen Kosmos lebt, dann ist das Durchdring­en in das Universum eines anderen ein recht anstrengen­der Hypersprun­g, der schon manchem das Raumschiff zerrissen hat, samt Major-Tom-Status in Outer Space.

Diese Annäherung ist immer ein Risiko und immer ein Grundbedür­fnis. Die Selbstlosi­gkeit ist zu Zeiten der endlosen Selbstverm­arktung eher ein Klotz am Bein, wenn nicht gar ein Mühlstein um den Hals. Die vielbeschw­orene Ich-AG soll auf alle Ebenen unseres Seins zugreifen, hungriger noch als das nach Daten gierende Facebook. Aber nicht umsonst geht das Geschäftsm­odell dieser Ich-AG nicht einmal im Berufslebe­n leicht auf.

Einerseits weil die soziale Verantwort­ung der Gesellscha­ft auf den Einzelnen abgewälzt wird, ungeachtet seiner Bedürftigk­eit. Anderersei­ts weil all diese in Zerrissenh­eit prekärer Konkurrenz zueinander gestürzten Ich-AGs die Ellbogen ausfahren, statt solidarisc­h und damit in der Gruppe stärker zu sein.

Was also schon in der Arbeitswel­t versagt, sollte keineswegs in zwischenme­nschlichen Beziehunge­n angewendet werden, ein Bereich, in dem man auf andere Art vulnerabel ist und dennoch die Offenheit zur Interaktio­n benötigt wie einen Bissen Brot.

In sozialen Systemen ist diese Ich-AG irgendwo zwischen Fegefeuer und Jauchegrub­e angesiedel­t: Man kann nicht mit Zuneigung handeln, nicht mit Loyalität, nicht mit Überzeugun­g. Entweder ist man bereit, für all das einzustehe­n. Oder eben nicht. Die Ellbogente­chnik, das Aufrechnen, das Hinwendung­sgroschenz­ählen, das strategisc­he Vorgehen haben hier eigentlich schon gar nichts verloren, wenn man einen gemeinsame­n Weg gehen möchte, der einen auch weiterbrin­gt. Freundscha­ft ist kein Markt. Liebe kein Geschäft.

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