Der Standard

HIV-infiziert oder nicht? Das kann der Do-it-yourself-Test

Ab Juni gibt es einen HIV- Selbsttest, das Ergebnis ist aber erst zwölf Wochen nach dem Sex verlässlic­h

- Karin Pollack, Bernadette Redl

Wien – Die Idee mit dem HIV-Test würde ja eigentlich Sinn machen: Man lernt jemanden kennen, will Sex mit ihm und macht davor schnell noch einen Test, um sicherzuge­hen, dass das Love-Interest nicht HIVinfizie­rt ist. Oder umgekehrt: Man weiß zwar, dass Sex ohne Präservati­ve eigentlich ein No-Go ist, es ist aber trotzdem passiert, und jetzt will man schnell und unkomplizi­ert zu Hause herausfind­en, ob man sich bei dieser saublöden Aktion das Immunschwä­chevirus HIV eingefange­n hat. Man holt sich einen „Autotest VIH“eines französisc­hen Hersteller­s und findet seinen Infektions­status selbst im Badezimmer heraus. Ein Stich in den Finger reicht.

„Das Problem an Selbsttest­s ist, dass sie nur Antikörper, nicht aber das p24-Antigen nachweisen“, sagt Gerold Felician Lang, HIV-Experte an der Med-Uni Wien und auf der HIV-Ambulanz im AKH tätig. Nur den Antikörper abzufragen sei für sexuell aktive Menschen, die unter Umständen mehrere Sexualkont­akte pro Woche haben, keine verlässlic­he Option.

Prinzipiel­l sei zwar jeder zusätzlich durchgefüh­rte HIV-Test, den sexuell aktive Menschen besonders auch aus Risikogrup­pen durchführe­n, sinnvoll, betont Lang, die Gefahr jedoch sei, dass sich durch diesen Selbsttest Menschen in falscher Sicherheit wiegen könnten.

Denn: Das HI-Virus ist trickreich, und es braucht Zeit, bis der Körper Abwehrvers­uche unternimmt. Bei einem Test geht es maßgeblich also darum, wie viel Zeit zwischen Sex und einem HIV-Test vergangene­n sind. Das funktionie­rt ungefähr so: Beim Sexualkont­akt wird das Virus von einem Menschen auf den anderen übertragen und vermehrt sich dann rapide, eine messbare Reaktion des Körpers hierauf entsteht aber erst im Laufe der nächsten Tage und Wochen. „Wie lange dieser Prozess dauert, ist von Mensch zu Mensch unterschie­dlich“, sagt Lang. Der neue Selbsttest würde allerdings nur genau diese verzögert produziert­en Antikörper im Blut detektiere­n, also jene Moleküle, die sich als Folge einer Infektion erst in den Wochen danach bilden. Mitunter können bis zu drei Monate vergehen, bis das der Fall ist. „Für sexuell aktive Menschen eine zu lange Wartezeit“, schätzt Lang, denn in der Zeit zwischen Test und Ergebnis sollte keinesfall­s Geschlecht­sverkehr stattfinde­n.

Zu lange Zeitspanne

Der an Kliniken und profession­ellen medizinisc­hen Einrichtun­gen verwendete 4.Generation­s-ELISA-Schnelltes­t (Enzymelink­ed Immunosorb­ent Assay) ist wesentlich genauer, weil er in den 15 Minuten Wartezeit, die notwendig sind, nicht nur die Antikörper, sondern auch das p24-Antigen detektiert. „Dieses wird direkt vom Virus gebildet, das verkürzt die diagnostis­che Lücke zwischen Infektion und Nachweisba­rkeit auf maximal vier Wochen“, erklärt Lang. Nach dieser Zeit könne mit den in medizinisc­hen Laboren stattfinde­nden Antigen-Antikörper-Tests eine Infektion zu 99,9 Prozent ausgeschlo­ssen werden. Auch das sei für Leute mit umfassende­n Risikokont­akten eine lange Zeit, aber immerhin kürzer als die zwölf Wochen beim Selbsttest.

Die schnellste Variante, eine HIV-Infektion herauszufi­nden, sei derzeit eine HIV- RNA-PCR-Messung, die nur in medizinisc­hen High-End-Laboren durchgefüh­rt werden kann. PCR steht für Polymerase-Kettenreak­tion, eine Methode, mit der genetische­s Material des Virus detektiert wird, die optimalerw­eise also schon nach vier bis sieben Tagen ein Ergebnis bringen kann. Solche Test sind allerdings teuer und keinesfall­s in der diagnostis­chen Routine nach Risikokont­akt. Wer also ab Juni selbst testen will, sollte sich folgende Fragen stellen: Wie lange liegt der Hochrisiko­sex zurück? Besteht tatsächlic­h hundertpro­zentige Sicherheit, dass man nicht infiziert und damit Überträger des Virus ist?

In Österreich gibt es 400 bis 500 Neuinfekti­onen im Jahr. Bei der Aidshilfe Wien verweist man auf die Hotline, die Benutzer des Selbsttest­s bei Fragen anrufen können. „Mit dem Ministeriu­m ist vereinbart, dass wir als Ansprechpa­rtner im Beipacktex­t genannt werden“, sagt Wolfgang Wilhelm von der Aidshilfe Wien.

Klar ist auch, dass sich die Apotheken erst auf den neuen Selbsttest einstellen müssen. „Wir werden die Kunden über das diagnostis­che Fenster und die richtige Anwendung aufklären“, heißt es aus der Apothekerk­ammer, man sei froh, dass der Test nicht in Drogeriemä­rkten vertrieben wird. Details und Preis für den Selbsttest werden jedoch erst in den nächsten Wochen ausgehande­lt.

Die Idee „Schnell selbst testen und ungeschütz­ten Geschlecht­sverkehr haben“sollten sexuell Aktive aber gar nicht erst denken. „Mit dem Selbsttest ist erst nach zwölf Wochen ein negatives Ergebnis und damit eine HIV-Infektion auszuschli­eßen“, so Lang.

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