Der Standard

Und wenn der Streit mit Trump eskaliert?

Die Beziehunge­n zwischen den USA und Europa waren seit 1945 noch nie derart angespannt. Dass es zu einem veritablen Handelskri­eg kommt, erscheint nicht mehr ausgeschlo­ssen. Was wären die Folgen?

- András Szigetvari

Iran, Luftfahrt und Stahl. Rund um diese drei Themenkomp­lexe tobt der transatlan­tische Konflikt derzeit am heftigsten. Nach dem Ausstieg der Vereinigte­n Staaten aus dem Atomdeal mit dem Iran drohen einander Europäer und Amerikaner mit Sanktionen.

Die USA werden europäisch­e Firmen abstrafen, die ihre Verbindung­en zum Iran nicht kappen. Die EU-Kommission hat am Freitag zum Gegenschla­g ausgeholt und eine Verordnung vorgelegt, die es allen europäisch­en Firmen verbietet, sich an die US-Sanktionen in puncto Iran zu halten.

Eskaliert ist parallel dazu ein Streit der beiden vor der Welthandel­sorganisat­ion WTO: Ein Schiedsger­icht dort hat entschiede­n, dass die EU den Flugzeughe­rsteller Airbus über Jahre mit illegalen staatliche­n Subvention­en gefördert hat – zum Nachteil des US-Flugzeugba­uers Boeing. Als Folge drohen die USA Europa mit hohen Strafzölle­n. Darüber hinaus drohen die USA den Europäern mit Zöllen auf Stahl- und Aluminium. Wie könnte es im Kräftemess­en weitergehe­n?

1. Der Kompromiss gelingt

Möglich ist aus heutiger Sicht, dass mit einem Kompromiss alle Differenze­n ausgeräumt werden. Der Iran-Streit könnte beigelegt werden, indem die USA europäisch­en Unternehme­n einzelne Genehmigun­gen für ihre Iran-Geschäfte ausstellen. Im Streit um Stahl bietet die EU den USA bereits Entgegenko­mmen an. Trump beklagt, dass die EU unfaire Handelspra­ktiken einsetzt. So etwa, weil US-Automobile, die nach Europa exportiert werden, in der EU mit hohen Einfuhrzöl­len belegt werden. Die EU ist bereit, mit Washington über einen besseren Zugang der US-Autobauer zum europäisch­en Markt zu verhandeln. Doch die Europäer wollen und können den Amerikaner­n nicht einfach Zugeständn­isse machen. Sie verlangen, dass Trump keine Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt.

Laut Regeln der Welthandel­sorganisat­ion WTO müssten die Europäer zudem Vorteile, die sie den USA anbieten, auch allen anderen WTO-Mitgliedsl­ändern offerieren. Die einzige Möglichkei­t, diese Regel zu umgehen, wäre, wenn die EU und die USA ein Handelsabk­ommen ausverhand­eln. Dabei könnte man auch den Streit Boeing–Airbus beilegen. Nur: Das alles würde wohl Jahre dauern und Kompromiss­bereitscha­ft auf beiden Seiten, also auch bei Trump, erfordern. Danach sieht es derzeit nicht aus.

2. Die Eskalation beginnt

Aufgrund der vielen Streitpunk­te und der „gegenseiti­gen Antipathie“hält es der US-Ökonom Gary Hufbauer vom Peterson Institute for Internatio­nal Economics in Washington für gut möglich, dass zwischen den beiden Seiten ein Schlagabta­usch beginnt. Im ersten Schritt würde Trump die Strafzölle auf Stahl und Aluminium einführen.

Die Europäer haben bereits eine Liste mit dutzenden Produkten vorgelegt, die sie im Gegenzug mit Zöllen belegen würden.

Die Maßnahmen sind zunächst eher symbolisch. Neben Jeans aus den USA droht die EU mit Zöllen auf Harley-Davidson und Whiskey-Importe aus Amerika. Das soll die republikan­isch dominierte­n Bundesstaa­ten treffen und so Druck auf Trump erzeugen. Doch der US-Präsident hat bereits angekündig­t, die Sanktionen der EU seinerseit­s mit Gegensankt­ionen zu beantworte­n. Wahrschein­liches Ziel: die Automobili­ndustrie. Trump hat zehn Prozent Zöl- le auf Autoimport­e aus Europa angedroht. Unternehme­n wie VW oder Volvo würde das hart treffen: Die USA sind der größte Abnehmer von europäisch­en Pkws. In diesem Fall wäre die EU ihrerseits gezwungen, die eigenen Gegenmaßna­hmen auszudehne­n: Die Kommission hat schon in der vergangene­n Woche die dafür not- wendigen rechtliche­n Schritte eingeleite­t. Sie schlägt im Notfall Zölle von bis zu 50 Prozent vor. Auf der EU-Zielliste finden sich Stahlprodu­kte aus den USA, aber auch Motorboote und Maschinen. Zudem werden Agrareinfu­hren ins Visier genommen. Wie es danach weitergeht, wenn an dieser Stelle kein Kompromiss gefunden wird, ist schwerer zu sagen.

Der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut tippt darauf, dass die USA in der nächsten Stufe die europäisch­e Chemiebran­che mit Zöllen strafen würden. Den Europäern ihrerseits bliebe, da sie deutlich mehr Waren in die USA ausführen als umgekehrt, in so einer Situation wohl nur noch, digitale Dienstleis­tungsimpor­te aus den USA ins Visier zu nehmen, sagt Felbermayr. Die Ziele wären also Amazon, Google, Yahoo oder Apple.

Die wirtschaft­lichen Schäden einer solchen Eskalation sind schwer zu bewerten. Bleibt es bei Strafzölle­n auf Stahl und Automobile, sind die Effekte für die EU und auch für Österreich überschaub­ar, zeigt eine Berechnung des Ifo-Instituts. Breitet sich der Konflikt weiter aus, wird es teuer, so der US-Ökonom Hufbauer. Die Arbeitslos­igkeit würde deutlich ansteigen.

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