Und wenn der Streit mit Trump eskaliert?
Die Beziehungen zwischen den USA und Europa waren seit 1945 noch nie derart angespannt. Dass es zu einem veritablen Handelskrieg kommt, erscheint nicht mehr ausgeschlossen. Was wären die Folgen?
Iran, Luftfahrt und Stahl. Rund um diese drei Themenkomplexe tobt der transatlantische Konflikt derzeit am heftigsten. Nach dem Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomdeal mit dem Iran drohen einander Europäer und Amerikaner mit Sanktionen.
Die USA werden europäische Firmen abstrafen, die ihre Verbindungen zum Iran nicht kappen. Die EU-Kommission hat am Freitag zum Gegenschlag ausgeholt und eine Verordnung vorgelegt, die es allen europäischen Firmen verbietet, sich an die US-Sanktionen in puncto Iran zu halten.
Eskaliert ist parallel dazu ein Streit der beiden vor der Welthandelsorganisation WTO: Ein Schiedsgericht dort hat entschieden, dass die EU den Flugzeughersteller Airbus über Jahre mit illegalen staatlichen Subventionen gefördert hat – zum Nachteil des US-Flugzeugbauers Boeing. Als Folge drohen die USA Europa mit hohen Strafzöllen. Darüber hinaus drohen die USA den Europäern mit Zöllen auf Stahl- und Aluminium. Wie könnte es im Kräftemessen weitergehen?
1. Der Kompromiss gelingt
Möglich ist aus heutiger Sicht, dass mit einem Kompromiss alle Differenzen ausgeräumt werden. Der Iran-Streit könnte beigelegt werden, indem die USA europäischen Unternehmen einzelne Genehmigungen für ihre Iran-Geschäfte ausstellen. Im Streit um Stahl bietet die EU den USA bereits Entgegenkommen an. Trump beklagt, dass die EU unfaire Handelspraktiken einsetzt. So etwa, weil US-Automobile, die nach Europa exportiert werden, in der EU mit hohen Einfuhrzöllen belegt werden. Die EU ist bereit, mit Washington über einen besseren Zugang der US-Autobauer zum europäischen Markt zu verhandeln. Doch die Europäer wollen und können den Amerikanern nicht einfach Zugeständnisse machen. Sie verlangen, dass Trump keine Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa verhängt.
Laut Regeln der Welthandelsorganisation WTO müssten die Europäer zudem Vorteile, die sie den USA anbieten, auch allen anderen WTO-Mitgliedsländern offerieren. Die einzige Möglichkeit, diese Regel zu umgehen, wäre, wenn die EU und die USA ein Handelsabkommen ausverhandeln. Dabei könnte man auch den Streit Boeing–Airbus beilegen. Nur: Das alles würde wohl Jahre dauern und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten, also auch bei Trump, erfordern. Danach sieht es derzeit nicht aus.
2. Die Eskalation beginnt
Aufgrund der vielen Streitpunkte und der „gegenseitigen Antipathie“hält es der US-Ökonom Gary Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics in Washington für gut möglich, dass zwischen den beiden Seiten ein Schlagabtausch beginnt. Im ersten Schritt würde Trump die Strafzölle auf Stahl und Aluminium einführen.
Die Europäer haben bereits eine Liste mit dutzenden Produkten vorgelegt, die sie im Gegenzug mit Zöllen belegen würden.
Die Maßnahmen sind zunächst eher symbolisch. Neben Jeans aus den USA droht die EU mit Zöllen auf Harley-Davidson und Whiskey-Importe aus Amerika. Das soll die republikanisch dominierten Bundesstaaten treffen und so Druck auf Trump erzeugen. Doch der US-Präsident hat bereits angekündigt, die Sanktionen der EU seinerseits mit Gegensanktionen zu beantworten. Wahrscheinliches Ziel: die Automobilindustrie. Trump hat zehn Prozent Zöl- le auf Autoimporte aus Europa angedroht. Unternehmen wie VW oder Volvo würde das hart treffen: Die USA sind der größte Abnehmer von europäischen Pkws. In diesem Fall wäre die EU ihrerseits gezwungen, die eigenen Gegenmaßnahmen auszudehnen: Die Kommission hat schon in der vergangenen Woche die dafür not- wendigen rechtlichen Schritte eingeleitet. Sie schlägt im Notfall Zölle von bis zu 50 Prozent vor. Auf der EU-Zielliste finden sich Stahlprodukte aus den USA, aber auch Motorboote und Maschinen. Zudem werden Agrareinfuhren ins Visier genommen. Wie es danach weitergeht, wenn an dieser Stelle kein Kompromiss gefunden wird, ist schwerer zu sagen.
Der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut tippt darauf, dass die USA in der nächsten Stufe die europäische Chemiebranche mit Zöllen strafen würden. Den Europäern ihrerseits bliebe, da sie deutlich mehr Waren in die USA ausführen als umgekehrt, in so einer Situation wohl nur noch, digitale Dienstleistungsimporte aus den USA ins Visier zu nehmen, sagt Felbermayr. Die Ziele wären also Amazon, Google, Yahoo oder Apple.
Die wirtschaftlichen Schäden einer solchen Eskalation sind schwer zu bewerten. Bleibt es bei Strafzöllen auf Stahl und Automobile, sind die Effekte für die EU und auch für Österreich überschaubar, zeigt eine Berechnung des Ifo-Instituts. Breitet sich der Konflikt weiter aus, wird es teuer, so der US-Ökonom Hufbauer. Die Arbeitslosigkeit würde deutlich ansteigen.