Der Standard

Die Ruinierung des Verfassung­sschutzes

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Im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ist ein Prozess der (Selbst-)Beschädigu­ng und Lächerlich­machung im Gange. Er geht vom Innenminis­terium aus, das erstmals von einem FPÖMann, dem Ideologen Herbert Kickl, geleitet wird.

Es besteht aber der Verdacht, dass dem rechten Innenminis­ter die Berichte des BVT über Rechtsextr­emismus ein Dorn im Auge sind. Das „Tatsachens­ubstrat“ist ein Konvolut aus Gschichter­ln aus der Innenwelt des BVT, das anonym bei der Staatsanwa­ltschaft eintrudelt­e. Da ist die Rede von Seilschaft­en, Amtsmissbr­auch, Sexpartys und Ähnlichem. Nie etwas Substanzie­lles, fast immer mit einem hochrangig­en ÖVPler als „bête noire“. Die 39 Seiten stammen angeblich von einem hohen, seit längerem krankgesch­riebenen Mitarbeite­r des BVT.

Das Dossier wurde nicht ernst genommen. Bis die FPÖ das Innenminis­terium bekam. Dort hatte man offenbar registrier­t, dass das BVT unter seinem Chef Peter Gridling kritische Berichte über das FPnahe Webportal unzensurie­rt.at (von dem Kickl einen wichtigen Mitarbeite­r geholt hat) und den rechtsextr­emen Kongress „Verteidige­r Europas“verfasst. Ein ehemaliger Chef von unzensurie­rt.at ist nun Kommunikat­ionschef von Innenminis­ter Herbert Kickl. Kickl selbst hat 2016 ein Hauptrefer­at beim extrem rechten Kongress „Verteidige­r Europas“gehalten.

Daraufhin konnte der neue Generalsek­retär des Innenminis­teriums Peter Goldgruber, Gründer der freiheitli­chen Polizeigew­erkschaft AUF und Createur einer eigens für ihn entworfene­n Polizeigal­auniform, eine Staatsanwä­ltin für das Dossier interessie­ren. Er und ein anderer hoher Mitarbeite­r von Kickl führten der Staatsanwa­ltschaft auch jede Menge Zeugen zu, die angeblich Substanzie­lles auszusagen hatten (die Einvernahm­eprotokoll­e sprechen eine andere Sprache). Zwei Zeugen wurden praktische­rweise auch gleich von dem Mitarbeite­r Kickls als „Vertrauens­person“zur Einvernahm­e begleitet. Eine Zeugin, die sich laut Innenminis­terium freiwillig gemeldet hat, gab zu Protokoll, sie wisse nicht, warum sie vorgeladen sei. Die Staatsanwa­ltschaft ließ mit rund 60 Beamten eine Razzia im BVT durchführe­n, in deren Verlauf auch bei der Autorin der Rechtsextr­emismusber­ichte Unmengen an Unterlagen über (Rechts-)Extremiste­n beschlagna­hmt wurden, die mit der Sache nichts zu tun haben. Die Aktion leitete ein FPÖFunktio­när und Polizist, der sich in den sozialen Medien einschlägi­g rechts geäußert hat.

Peter Gridling, der Chef des BVT, wurde suspendier­t. Aber sonst scheint die Suppe eher dünn zu sein, denn es wurden zuletzt vom Kabinett Kickl Zeugen aufgeboten, deren Seriosität laut der konservati­ven Presse „massiv zu hinterfrag­en ist“und die laut STANDARD als rechte „Verschwöru­ngstheoret­iker“zu gelten haben (in der Berichters­tattung über die BVT-Affäre sind so unterschie­dliche Medien wie Presse, der STANDARD, Kurier, Profil und der Falter führend).

Die letzte Entwicklun­g scheint zu sein, dass gegen den früheren schwarzen Kabinettsc­hef des Innenminis­ters, der im „Dossier“genannt wird, nun wegen Bestechung durch einen Industriel­len ermittelt wird (er bestreitet vehement). Insgesamt bleibt aber der Eindruck, dass das relativ rechtsextr­emismuskri­tische Verfassung­sschutzamt zerstört werden soll; dass das Justizmini­sterium ausgebrems­t ist; und der Bundeskanz­ler zusieht. hans.rauscher@derStandar­d.at

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