Der Standard

Mamma mia!

- Christoph Prantner

Die italienisc­hen Leitartikl­er, sie überschlug­en sich am Freitag beinahe: Die Repubblica erklärte, Italien „mache sich selbst irrelevant“mit dem Regierungs­programm, das die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega ihren Mitglieder­n über das Wochenende zur Abstimmung vorlegen wollten. Der Corriere forderte ein Ende des „politische­n Abenteurer­tums“und eine Neugründun­g der Republik. Es waren ungewöhnli­che Töne, selbst für ein Land, das politische­n Kummer gewohnt ist. Allen seriösen Beobachter­n ist klar: Kommt diese Regierung tatsächlic­h zustande, dann – Mamma mia! – ist Feuer am Dach.

Dabei ist die exzentrisc­he Regierungs­übereinkun­ft bereits abgeschwäc­ht, die größten Verrückthe­iten sind auf den 58 Seiten gar nicht enthalten. Noch vor wenigen Tagen wollten Sterne und Lega einen Schuldener­lass im Umfang von 250 Milliarden Euro, die europäisch­en Verträge radikal umschreibe­n und ein Referendum über den Euro abhalten. Jetzt soll im chronisch klammen Italien „nur“noch eine Flattax (15 bis 20 Prozent) eingeführt, eine dringend nötige Pensionsre­form gekippt und ein Grundeinko­mmen von 780 Euro pro Monat beschlosse­n werden. Je nach Berechnung würden in Rom damit um die fünf Prozent Budgetdefi­zit, etwa 100 Milliarden Euro Kosten jährlich, auflaufen. Bereits jetzt steht das Land mit 132 Prozent seiner Wirtschaft­sleistung in der Kreide. Geriete die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone – und nur nebenbei: Österreich­s zweitwicht­igster Handelspar­tner – tatsächlic­h in eine wirtschaft­liche Schieflage, wäre die Griechenla­ndkrise ein laues Lüftchen dagegen gewesen.

Abgesehen von den horrenden Zahlen: Vergangene­s Jahr feierte die Union in ihrem Gründungsl­and 50 Jahre Römische Verträge. Heute steht dort eine rabiat-populistis­che Koalition kurz vor der Machtübern­ahme. Mit dieser werden das Vorantreib­en der Bankenunio­n, die Reform der Eurozone und der gesamten Union nicht zu machen sein. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron mag noch so viele Reden halten, die von Aufbruchst­immung strotzen. Wenn ein derart großes Mitgliedsl­and wie Italien nicht mitzieht, wird nichts daraus werden.

„Die spinnen, die Römer!“– das in alter gallischer Tradition festzustel­len wird angesichts einer solchen Lage zu wenig sein. Kommt dieser Koalitions­pakt, vor dem selbst der alte Hasardeur Silvio Berlusconi warnt, zustande, ist die große Krise zurück in Europa.

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