Der Standard

Verrohung der Sprache

- Petra Stuiber

Den jüngsten Aufreger lieferte Alice Weidel. Die Chefin der AfD hielt es in ihrer Rede zum deutschen Budgetvora­nschlag für angebracht, einen verbalen Schlenker in Richtung Flüchtling­e zu machen: „Burka, Kopftuchmä­dchen, alimentier­te Messerstec­her und andere Taugenicht­se“würden den Wohlstand der Deutschen nicht retten, rief die AfD-Chefin. Und in Richtung Grüne gewandt: Deren fette Pensionen würden „Ihre eingewande­rten Goldstücke“nicht zahlen, spottete Weidel, und man sah ihr die Freude an der unerhörten Provokatio­n an.

Hat Weidel ein Tabu gebrochen? Ja, das hat sie – allerdings war es nur ein weiteres Tabu in einer ganzen Reihe von Be- und Zuschreibu­ngen für geflüchtet­e Menschen, die in den vergangene­n Jahren um sich griffen. Man denke etwa an den (ehemaligen) deutschen Sozialdemo­kraten Thilo Sarrazin, der 2010, also lange vor der großen „Flüchtling­skrise“, über in Deutschlan­d lebende Migranten schrieb, diese würden mehrheitli­ch „Kopftuchmä­dchen produziere­n, die wieder Kopftuchmä­dchen produziere­n“. Oder, noch früher in Österreich, die FPÖ, die vor der Nationalra­tswahl 2006 „Daham statt Islam“plakatiere­n ließ.

Damals steckten die sozialen Medien beinahe noch in den Kinderschu­hen. Diesen also die alleinige Schuld an Hass und Hetze gegen Flüchtling­e zuzuschieb­en wäre zu einfach und zu billig. Politiker aller Lager überschrei­ten immer wieder die Grenzen des guten Geschmacks, der Höflichkei­t und der Wertschätz­ung – füreinande­r, und erst recht gegenüber anderen. „Flüchtling­e“werden häufig mit Naturkatas­trophen gleichgese­tzt, „Krise“und „Problem“sind allgegenwä­rtig, wenn es um Ausländer geht.

Da darf es nicht verwundern, wenn sich die Bevölkerun­g irgendwann tatsächlic­h davor fürchtet, sie könnte durch die Regierung „ausgetausc­ht“werden – eine Unterstell­ung, welche etwa die AfD wie ein Mantra vor sich herträgt,

Dass in Sachen Migration und – vor allem – Integratio­n bei weitem nicht alles rund läuft, ist nicht zu leugnen. Die Chance wäre aber größer, Probleme vernünftig zu lösen, wenn man sie zuvor auch vernünftig diskutiere­n könnte.

Stattdesse­n verrohen Sprache und Sitten weiter. Fallen einmal die Schranken, ist schon egal, wer abgewertet wird: Flüchtling­e, Ausländer, Muslime, Afghanen, Tschetsche­nen, Kopftuchfr­auen, Frauen überhaupt. Die Verrohung schreitet voran, wir empören uns kurz, und das war’s dann wieder. Bis zur nächsten Provokatio­n.

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