Sanna unter den Barbaren
Aktuell scheint es eine Irmgard KeunRenaissance zu geben. Die neue, 2.000 Seiten umfassende kommentierte Werkausgabe verkauft sich gut. Dabei war Keun, geboren 1905, gestorben 1982, lange vergessen. Über ihr Debüt Gilgi, eine von uns! (1931) meinte Kurt Tucholsky gar nicht paternalistisch: „Eine schreibende Frau mit Humor, sieh mal an!“Alle weiblichen Keun-Figuren haben Humor, das Herz am rechten, das heißt: eher linken Fleck, sind gewitzt und klar, dabei auch naiv. So Susanne, genannt Sanna, in Nach Mitternacht, in der Radioadaption Barbara Meerkötters mit Lisa Wagner gut besetzt. Es ist 1936, Frankfurt am Main. Sanna kommt von der Mosel in die Stadt, hat eine Beziehung zu ihrem Cousin, wird von ihrer Tante denunziert, verhaftet, verhört, kommt frei, verlässt die Stadt mit dem Zug. 1937 schrieb Keun diesen Roman im Exil. Und schuf ein scharfsichtiges Psychogramm einer Denunziantin und eine literarische Reportage über Radikalismus. Sorgfältig sind die Stimmen gecastet, selbst ein Hans Peter Hallwachs übernahm Nebenrollen. Alexander Kluy
Irmgard Keun, „Nach Mitternacht“. € 17,99 / 96 min. Der Audioverlag, Berlin 2018