Der Standard

Ein Hybrid aus Geometrie und Formlosigk­eit: So präsentier­t sich die Malerei von Thomas Reinhold bei Artemons. Fasziniere­nd.

- Anne Katrin Feßler

Sie rinnt, zieht Schlieren, wagt sich vor auf benachbart­es Terrain: Spinatgrün auf Maisgelb, Ocker auf zartem Aqua, grelles Azur auf Lachs, Stahlgrau auf Nachtblau. Die Farbe ist auf Thomas Reinholds Leinwänden in Bewegung. Die Spuren der Tropfen verführen zu Assoziatio- nen mit Jackson Pollocks DripPainti­ngs oder mit Schüttbild­ern von Hermann Nitsch, allein, mit aktionisti­schen Gesten hat Reinholds Malerei nichts zu tun.

Ganz im Gegenteil. Wenn der 1953 in Wien geborene Künstler, der einst Österreich­s „Neuen Wilden“zugerechne­t wurde, Farbe auf die Leinwand schüttet, dann ist das ein höchst kontrollie­rter Prozess, der einem ganz klaren visuellen Konzept folgt. Die Feld um Feld aufgebrach­te Farbe wird von ihm durch Anheben des Keilrahmen­s bewegt. „Transporti­eren“nennt Thomas Reinhold das. In der Wiederholu­ng kommt es zu Überlageru­ngen, die je nach Liquidität der Farbe transparen­ter oder opaker geraten. „Kommunikat­ion tritt ein“, so Reinhold.

In diesem Dialog von Kalkül und Zufall entsteht eine dynamische Struktur; Elemente scheinen in entgegenge­setzte Richtungen zu fließen. Verliert hier ein Raster seine Form, oder bewegt sich vielmehr das Formlose in Richtung geometrisc­he Ordnung? Die Kompositio­nen sind irritieren­d unentschie­den, rätselhaft, mit räumli- chen Anklängen. Das macht aber auch die Faszinatio­n aus.

Reinholds Bildideen funktionie­ren aber auch, wenn er die Leinwand verlässt und sie ins Medium Glas transferie­rt. In den Kirchenfen­stern für die Chappelle de la Résurrecti­on in Brüssel gewinnt das Verschmelz­ende der Farben wieder neuen Charakter.

Das Moment des Unentschlo­ssenen – eine Art Sowohl-als-auch – spiegelt sich auch im Titel der aktuellen Ausstellun­g in der Galerie Artemons: Geometrie des Amorphen. Die Galerie am Parkring ist neu am Wiener Parkett, gegründet wurde Artemons in Hellmonsöd­t. Das sei „ein Hügel vor Linz“, scherzt Galerielei­ter Herwig Dunzendorf­er und erhellt so das Wortspiel im Namen: mons, lateinisch für Berg.

Zu sehen sind in der Schau überwiegen­d Arbeiten der letzten zwei Jahre, aber auch Beispiele, die bis ins Jahr 2006 zurückreic­hen und die Vielfalt von Reinholds verlebendi­gter Farbfeldma­lerei offenbaren. Es ist das Prozesshaf­te – diese Zyklen von Schütten, Anheben und Trocknen –, das dem Bild auch etwas Performati­ves verleiht. Über den malerische­n Vorgang hinaus ist es ein Agieren mit dem Bild, eine Bewegung im Raum.

Bis 30. 5., Galerie Artemons, Opernring 21, 1010 Wien. Am 23. 5. (19 Uhr, Secession) wird der kurze Film „Matrix“präsentier­t.

artemons.at

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Gebaute Bilder: Schicht für Schicht, Farbe für Farbe entstehen Thomas Reinholds Kompositio­nen („Bild“, 2017).
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