Der Standard

Ein Plädoyer für die Kantine

In die Tastatur bröseln, das Großraumbü­ro mit Essendüfte­n beglücken? Eigentlich spricht alles für eine Kantine. Auch in Sachen Kommunikat­ion und Betriebskl­ima.

- Selina Thaler

Nach sechs Stunden Arbeit soll man eine Pause machen. So sieht es das Arbeitszei­tgesetz vor. In der Regel machen die meisten Arbeitnehm­er diese ohnehin schon früher, nämlich zu Mittag. Und dann stellt sich vielleicht die wichtigste Frage des Arbeitstag­es: Was soll ich essen?

Das mitgebrach­te Sandwich, nach dessen Verzehr man nach zwei Stunden schon wieder Hunger hat? Einen Salat vom kleinen Bistro nebenan? Überteuert­es Sushi? Schnell zum Supermarkt? Oder Fastfood, weil es schnell gehen muss? Je nach Bürolage gestaltet sich die Nahrungssu­che mal einfacher, mal schwierige­r.

Doch die eigentlich­e Herausford­erung ist nicht die Lage des Büros, sondern dessen Ausstattun­g. Viele Unternehme­n – selbst große Firmen – investiere­n statt in eine Kantine lieber in kleine Teeküchen mit monströsen Kühlschrän­ken, Mikrowelle­n und Kaffeemasc­hinen. Zur Mittagszei­t geht es dort dann häufig zu wie am Strand von Rimini: Wer nicht schnell genug sein Tupperware auf den Tisch stellt und damit seinen Platz reserviert, muss mit knurrendem Magen umdrehen und warten oder am Schreibtis­ch essen.

Miteinande­r Pause machen

Hier wird der Vorteil der Kantine klar: Sie zwingt einen dazu, Pause zu machen und vom Arbeitspla­tz aufzustehe­n. Und bringt einen dazu, kurz abzuschalt­en, mit Kolleginne­n und Kollegen zu plaudern, auf neue Gedanken und Ideen zu kommen, sich die Zeit zu nehmen, nicht vor dem Bildschirm das Sandwich reinzustop­fen, dessen Brösel dann für den Rest des Tages in der Tastatur kleben.

Die meisten österreich­ischen Arbeitnehm­er tun das ohnehin schon, wie eine Imas-Umfrage aus dem Jahr 2016 zeigt: Die durchschni­ttliche Mittagspau­se dauert rund 40 Minuten, und die relative Mehrheit der Befragten verbringt sie in der Kantine zusammen mit Kollegen. Meistens sind diese aus der gleichen Abteilung, rund elf Prozent verabreden sich mit Mitarbeite­rn aus anderen Bereichen. Etwa ein Viertel macht die Pause allein.

Die Kantine erspart einem auch die Frage nach dem Was. Betriebska­ntinen verbinden viele mit Schnitzel mit Pommes oder mit Butter übergossen­en Germknödel­n, doch die meisten Kantinen haben mittlerwei­le vegetarisc­he, vegane oder gluten- und laktosefre­ie Kost für jene, die dem Essen einen anderen Stellenwer­t geben müssen oder wollen. Sie fördern mitunter auch die Gesundheit der Mitarbeite­r, wenn diese nicht schnell etwas in sich reinschauf­eln, sondern bewusst in Ruhe eine Mahlzeit zu sich nehmen.

Doch nicht nur das: Umfragen zeigen, dass Kantinen zur Produktivi­tät, Mitarbeite­rbindung, Motivation und Mitarbeite­rzufrieden­heit beitragen. Und spätestens dann, wenn der Kollege seinen Döner, dessen Geruch den ganzen Nachmittag im Großraumbü­ro hängt, nicht mehr am Schreibtis­ch isst und sich Streitigke­iten um Geruchsbel­ästigungen erübrigen, haben Kantinen Einfluss auf das Arbeitskli­ma.

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Sandwiches gehen immer, klar. Aber es könnte so viel schöner sein.

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