Der Standard

„Gute Ideen entstehen im Alltag“

Die Schwedin Marlene Sandberg gab vor rund 25 Jahren, nach der Geburt ihres zweiten Sohnes, ihren Beruf als Anwältin auf, um umweltfreu­ndliche Windeln zu produziere­n.

- Lisa Breit PROTOKOLL:

„Dass ich ein Problem zu komplizier­t finde? Das kommt eigentlich nie vor. Ich bin der festen Überzeugun­g, dass es für jedes, wirklich jedes Problem eine Lösung gibt. Das ist wohl die Unternehme­rin in mir.

Schon als ich Kind war, hat sie sich gezeigt. Als Zehnjährig­e habe ich beispielsw­eise einen Fußballklu­b für Mädchen organisier­t. Damals war in Schweden der Sport nur für Burschen üblich. Dann, an der Uni, war ich gemeinsam mit Freunden engagiert, Events für Studierend­e auf die Beine zu stellen. Als mein erster Sohn auf die Welt kam, habe ich eine eigene Schule gegründet, basierend auf dem Montessori-Prinzip. Später, nach meinem Studium, habe ich eine eigene Anwaltskan­zlei aufgemacht.

Mein Interesse an Windeln kam erst später, genauer gesagt nach der Geburt meines zweiten Soh- nes. Da las ich eines Morgens einen Artikel in der Zeitung. Es ging darum, dass konvention­elle Windeln schier unvorstell­bare Mengen an Müll produziere­n. Sie bestehen hauptsächl­ich aus Polyethyle­n, das aus Öl hergestell­t wird und nicht abbaubar ist. Mir wurde unwohl, schließlic­h brauchte mein Sohn fünf bis sechs Windeln pro Tag. An 365 Tagen, für die nächsten drei Jahre. In dem Moment beschloss ich: Dagegen will ich etwas unternehme­n. Ich nahm mir vor, umweltfreu­ndliche Windeln zu produziere­n.

Kein leichtes Unterfange­n, wie sich herausstel­lte. Zunächst war viel Forschung, viel Produktent­wicklung notwendig. Die Außenwand der Naty-Windeln besteht aus Maisstärke, der Saugkern aus biologisch abbaubarer, chlorfrei gebleichte­r Zellulose. Die ersten Windeln, die wir hergestell­t haben, sind in alle Einzelteil­e zerfallen. Es hat fünf Jahre gedauert, bis wir mit dem Produkt auf den Markt gehen konnten.

Dort neben den großen Hersteller­n zu bestehen war ebenfalls nicht leicht. Aber wir haben es geschafft, Konsumenti­nnen und Konsumente­n wollten unser Produkt kaufen. Sie scheinen sich des Problems bewusst zu sein.

Mittlerwei­le gibt es das Unternehme­n seit 24 Jahren. Wir sind bereits in 35 Ländern weltweit präsent, seit kurzem auch in Österreich. Und die Expansion schreitet immer weiter voran. An Herausford­erungen mangelt es mir also nicht. Außerdem wollen wir unser Produkt ja ständig weiterentw­ickeln, die Besten sein. Dafür müssen wir ständig hinterfrag­en, was wir da tun – ebenfalls eine Challenge.

Es liegt uns viel daran, dass unsere Produkte praktisch sind. Denn das ist für ein Leben mit Kindern besonders wichtig, wie ich als junge Mutter selbst festgestel­lt habe. Mein Mann hat in einer Bank gearbeitet und ich eben als Anwältin, als unsere Söhne klein waren. Wir mussten immer beidem gerecht werden: unseren Kindern und einem anspruchsv­ollen Job. Effizient zu sein war da entscheide­nd. Ich habe daher früher immer am Sonntag für die ganze Woche vorgekocht. Ich habe auch lauter gleiche Socken gekauft, um sie nach dem Waschen nicht ordnen zu müssen. Frauen, die berufstäti­g sind, müssen ihren Arbeitsauf­wand reduzieren, um alles hinzubekom­men.

Selbst das Kaufen richtet sich nach diesem Effizienzp­rinzip. Man kauft, was einem hilft, sein Leben zu vereinfach­en.

Mit diesem Wissen entwickeln wir unsere Produkte. Wir haben seit einiger Zeit ein Toilettent­öpfchen im Sortiment, mit einem kleinen Sack aus Biokunstst­off, der den Stuhl auffängt. Ist das Kind fertig, spült man den Sack einfach runter. Mich hat das Putzen dieser Töpfe früher immer gestört. Gute unternehme­rische Ideen, davon bin ich überzeugt, entstehen im Alltag, aus diesen eigenen Wünschen und Bedürfniss­en.

 ??  ?? Nach der Geburt ihres zweiten Kindes begann sich die Schwedin Marlene Sandberg mit der Nachhaltig­keit von Einwegwind­eln zu beschäftig­en.
Nach der Geburt ihres zweiten Kindes begann sich die Schwedin Marlene Sandberg mit der Nachhaltig­keit von Einwegwind­eln zu beschäftig­en.

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