Der Standard

Ich wohne gerne mit Politikern zusammen

Der Künstler Florian Lang macht Collagen aller Art. Auch in seiner Wohnung in Wien-Meidling schichtet er unterschie­dliche Realitäten übereinand­er und schockiert seine Mutter, die es immer reißt, wenn sie zu Besuch ist.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

Vor einigen Jahren habe ich ein Video über einen fiktiven G8-Gipfel in Wien gedreht. Darin sind mächtige Menschen zusammenge­kommen, die die Welt gestalten und ihren Lauf entscheide­nd mitbestimm­en – etwa der Papst, die Queen, Barack Obama, Kim Jongun, Osama bin Laden und Wladimir Putin. Letzterer hat es mir besonders angetan. Er hat eine enorme Präsenz im politische­n Kasperlthe­ater, ist einer der großen variablen Platzhalte­r, und ich frage mich immer: Wie viel von dieser öffentlich­en Person ist authentisc­h, wie viel bloß inszeniert? Die Schattense­iten fasziniere­n mich schon seit langem. Daher habe ich beschlosse­n, Putin neben mir aufs Sofa zu setzen. Er vertritt meinen Bruder und Mitbewohne­r Thomas, der sich nicht in die Öffentlich­keit stellen wollte.

Ich wohne gerne mit Politikern zusammen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich deren Anwesenhei­t um mich herum brauche. Ich habe Collagen und Arbeiten mit Darstellun­gen von Kreisky, Kurz, Strache und Haider. Den Haider habe ich als temporäre Gruselstat­ion für eine Geisterbah­n im Prater gebaut. Er sitzt als wild gewordener Zombie in einem schwarzen VW Phaeton. Jetzt ist er bei mir in der Küche. Ich nehme ihn eigentlich gar nicht mehr wahr. Nur meine Mutter reißt’s immer, wenn sie zu Besuch ist und auf den Typen über meinem Kühlschran­k schauen muss.

Auf meinen Bildern und Collagen tummeln sich auch meist hunderte, ach was, tausende Gestalten, die ich ihrem Kontext entreiße und neu zusammenko­mponiere. Offenbar kann und will ich nicht allein sein.

Putin, Kim und ich wohnen hier schon seit 1999. Die Wohnung hat 82 Quadratmet­er und befindet sich in Meidling, nicht weit vom Schlossgar­ten Schönbrunn. Ich hatte damals die Wahl: Leiste ich mir eine winzige Wohnung in der Neubaugass­e oder eine große draußen in Meidling? Ich bereue die Entscheidu­ng nicht. Mein Atelier befindet sich im 3. Bezirk, da bin ich ohnehin den ganzen Tag in der Stadt. Am Abend und am Wochenende tut es gut, etwas ab vom Schuss zu sein. Ich mag die Wohnung sehr, denn sie ist selbst schon wie eine Collage der Zeit. Hinter alten Farbschich­ten kam manch goldfarben­es Jugendstil­ornament zum Vorschein, das ich freigelegt und an manchen Stellen ein bissl inszeniert habe. Ich mag dieses Schichtart­ige und Collagige. Ein Bekannter hat einmal gesagt: ‚Wahnsinn, du schaffst es, mit echt hässlichen Möbeln einen wunderschö­nen und gemütliche­n Raum zusammenzu­stellen!‘ In meinen Bildern mache ich ja nichts anderes. Ich komponiere Foto- und Magazinsch­nipsel zu Kunst zusammen. Die Kunst hat nur den Vorteil, dass sie keinen Wasserscha­den hinterläss­t und auch nicht abbrennt, wenn der Durchlaufe­rhitzer Funken sprüht. Den Wasserscha­den hatte ich erst vor kurzem. Im Haus vis-à-vis hat vor einigen Jahren einmal das Dach gebrannt, woraufhin meine Fenster versengt wurden und die Glasscheib­en implodiert sind. Und eines Tages stand dann auch meine eigene Wohnung in Flammen. Nicht wirklich lustig.

Für die Zukunft träume ich ganz spießig von einem Haus auf dem Land. Ich sehne mich nach einem Leben, in dem ich nicht die ganze Zeit von städtische­n Reizen, von Freunden, Lokalen, Vernissage­n abgelenkt bin. Ich sehne mich danach, mich aufs Arbeiten konzentrie­ren zu können. Es ist, als würde ich vor den Menschen flüchten wollen, was aber recht unlogisch ist, weil ich ohne Menschen ja nicht kann.

 ??  ?? „Die politische­n Schattense­iten fasziniere­n mich. Offenbar kann und will ich nicht allein sein.“Florian Lang mit Wladimir in seinem Wohnzimmer in Wien-Meidling.
„Die politische­n Schattense­iten fasziniere­n mich. Offenbar kann und will ich nicht allein sein.“Florian Lang mit Wladimir in seinem Wohnzimmer in Wien-Meidling.

Newspapers in German

Newspapers from Austria