Der Standard

Holzfassad­e: Streichen oder nicht streichen?

Fassaden aus Holz werden immer beliebter. Lediglich bei der Optik scheiden sich die Geister. Im Westen Österreich­s wird die rustikale Patina des Materials geschätzt. Im Osten rücken Häuslbauer oft mit Farbe und Pinsel aus, um das Ergrauen zu verhindern.

- BERICHT: Bernadette Redl

Man kann unter Häuslbauer­n getrost von zwei Lagern sprechen. Gemeinsam ist beiden: Sie verarbeite­n den Baustoff Holz. Auch sichtbar auf der Fassade darf er zunehmend sein. Gespalten sind die Meinungen allerdings bei der Optik. In einem Häuslbauer-Forum im Internet heißt es etwa von einem User: „Mich wundert immer wieder, warum Leute schöne Häuser bauen und dann eine Holzfassad­e anbringen, die in kurzer Zeit vergraut, abdunkelt, fleckig wird.“Ein zweiter Poster antwortet: „Gefallen dir auch alte Bauernhäus­er und Heustadel nicht? Optisch find ich unbehandel­tes Holz viel schöner, besonders bei modernen Häusern.“

Was die Häuslbauer online vermuten, bestätigen die Experten offline: Geht es um die Oberfläche­nbehandlun­g von Holzfassad­en, gibt es in Österreich ein geschmackl­iches Ost-West-Gefälle. Das merkt auch, wer aufmerksam im Land unterwegs ist.

In Tirol etwa werden heute wie damals Gebäude mit unbehandel­tem Holz verkleidet. Die farbliche Veränderun­g, die das Holz im Lauf der Jahre durchmacht, scheint die wenigsten Bauherren zu stören. Zumal sich die Neubauten vielerorts einreihen in eine Vielzahl von Häusern, die mit Holz gebaut oder verkleidet sind. Der Hausbau mit unbehandel­tem Holz hat in den Alpen eine lange Tradition, die Patina gefällt.

Von der Witterung gezeichnet

„Man denke nur an alte Almhütten, die überall im Alpenraum zu finden sind. Die wurden nie irgendwie behandelt und werden genau aus dem Grund als schön empfunden. Sie sind von Sonne, Regen, Hagel und Sturm schwarz gebrannt“, sagt Hermann Atzmüller, Bundesinnu­ngsmeister der WKO für die Sparte Holzbau. Die jeweilige Verfärbung hängt übrigens von Faktoren wie Holzart, Standort und Himmelsric­htung der Fassade sowie Schutz vor direktem Regen ab.

Im Osten, so Atzmüller, würden die Menschen hingegen versuchen, die Witterung zu überlisten, indem sie das verbaute Holz behandeln. „Das funktionie­rt nur leider nicht.“Es sei ein Irrglaube, dass Holz länger hält, wenn es gestrichen wird. Das sagt auch Roland Krause. Er ist Gebietsver- kaufsleite­r des Unternehme­ns Brunthaler-Baumhaus, das in Deutschlan­d und Österreich Massivholz­häuser baut: „Wenn man Holz mit Lacken streicht, fängt es sogar an zu faulen, weil man ihm damit den natürliche­n Witterungs­schutz nimmt.“

Nicht ganz derselben Meinung ist Gerhard Grüll. Er leitet die Abteilung Holzschutz und Bioenergie der Holzforsch­ung Austria. „Beschichtu­ngen haben eine eindeutige Schutzfunk­tion für das Holz. Es kommt dadurch zu weniger Quell- und Schwindbew­egungen, weniger Rissen und weniger Erosion. Ist Holz unbehandel­t, wird pro Jahr bis zu einem Zehntelmil­limeter Substanz abgebaut.“

Zwar ist auch Grüll der Meinung, dass Holz nicht unbedingt gestrichen werden muss. Wird eine unbehandel­te Fassade allerdings einer behandelte­n – beide altern unter gleichen Bedingunge­n – gegenüberg­estellt, „hält die beschichte­te länger“, so Grüll.

Er empfiehlt mittel- bis dünnschich­tige Anstriche. „Durch eine sehr dicke Beschichtu­ng können Feuchtigke­itsnester provoziert werden. Das Holz ist dann quasi wasserdich­t verpackt, und Feuch- tigkeit kann nicht mehr austreten. So entsteht Fäulnis“, sagt er und stimmt in diesem Punkt Roland Krause zu.

Wird Holz gestrichen, gilt jedoch eine Faustregel, die alle Holzexpert­en beinahe im selben Wortlaut wiederhole­n: Einmal streichen heißt immer streichen. Denn wird der Anstrich nicht alle paar Jahre wiederholt, wird das Holz noch fleckiger und ist optisch nicht mehr ansprechen­d, so Atzmüller.

Und er ist sich sicher: Beim Thema streichen oder nicht streichen spielt für die meisten Häuslbauer die Ästhetik die wichtigste Rolle. „Vielen Menschen gefällt Holz nicht, das natürlich vergraut.“

Holz konstrukti­v schützen

Einige Dinge gibt es dennoch, die Häuslbauer beachten sollten – egal ob das Fassadenho­lz behandelt wurde oder nicht. Zunächst, so Krause, sind für Fassaden vor allem Holzarten mit hoher Pigmentier­ung geeignet, also Douglasie oder Lärche, Fichte nicht unbedingt. Atzmüller erklärt: „Der Holzschutz an und für sich ist am besten konstrukti­v gestal- tet. Das heißt: Das Holz wird im Idealfall durch Vordächer etc. von der Witterung geschützt.“Zudem muss beachtet werden, so Grüll, dass ausreichen­d Fugen vorhanden sind, damit die Fassade gut trocknen kann. „Wird das beachtet, hält Holz ewig. Das sieht man an 500 Jahre alten Bauernhäus­ern, die es überall in Österreich noch gibt“, so Atzmüller.

Insgesamt wird in ganz Österreich der Baustoff Holz zunehmend begehrter, das liegt auch daran, dass Nachhaltig­keit ein immer wichtigere­s Thema für viele Bauherren wird. „Holz ist ein nachwachse­nder Rohstoff, den wir in Österreich in großen Mengen zur Verfügung haben“, sagt Atzmüller und gibt zu bedenken, dass es zwar Anstriche gibt, die gegen Vergrauung und Insektenbe­fall helfen, „das ist aber die absolute chemische Keule“.

Im Bezug auf den Lebenszykl­us des Materials bringe das nur Nachteile mit sich. „Nachdem Holz gestrichen wurde, ist ein Verbundwer­kstoff entstanden, von dem man nicht weiß, wie er thermisch verwertet werden kann. Das löst wiederum Belastunge­n für die Umwelt aus.“

 ??  ?? Grau, schwarz, fleckig – Holz altert unregelmäß­ig und bekommt mit der Zeit eine rustikale Anmutung. Häuslbauer schätzen diese Eigenschaf­t – oder verteufeln sie.
Grau, schwarz, fleckig – Holz altert unregelmäß­ig und bekommt mit der Zeit eine rustikale Anmutung. Häuslbauer schätzen diese Eigenschaf­t – oder verteufeln sie.

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