Der Standard

Burg-Zombies von Antú Romero Nunes

Antú Romero Nunes konzentrie­rt sich in „Macbeth“am Burgtheate­r auf die Entscheidu­ngsprozess­e der meuchelnde­n Eheleute. Zulasten eines eintönigen Manierismu­s.

- Margarete Affenzelle­r

Die Zombies sind los. Macbeth (Ole Lagerpusch), seine Lady (Christiane von Poelnitz) und auch die Hexen (u. a. Merlin Sandmeyer) geistern mit aufgerisse­nem Brustkorb durch das Burgtheate­r. Regisseur Antú Romero Nunes veranstalt­et in seiner Inszenieru­ng des Shakespear­e-Dramas eine große Innenschau. Er reißt die Mördergrub­en der Macbeth-Herzen weit auf.

Die Figuren, die Antú Romero Nunes aus Macbeth destillier­t hat, sind weniger Menschen aus Fleisch und Blut (obwohl reichlich davon fließt), sondern zombiehaft­e, anatomisch­e Modelle zum Studium der Grausamkei­t. Nicht die zweckgebun­dene Meuchelei interessie­rt hier, sondern das Hinschlach­ten um seiner selbst Willen, also die pure Lust an der schändlich­en Tat. Und dann auch der kleine Widerpart der Reue.

Dafür tunken Bühnenbild­ner Stéphane Laimé und Kostümbild­nerin Victoria Behr die höfische Welt Schottland­s in tiefes Rot. Und wo fände man mehr von dieser Farbe als im Theater selbst? Folgericht­ig ragt auf der Bühne das gespiegelt­e Burgtheate­rParkett inklusive erstem Rang in den Schnürbode­n hinauf. Mit allem Drum und Dran.

So verkünden gleich zu Beginn die drei Hexen vor der roten Wandbespan­nung ihre unheilvoll­e Prophezeiu­ng, Macbeth würde bald König werden. Es ist eine Weissagung, die die Gelüste erst so richtig weckt. Wo und wie entscheide­t es sich, dass jemand den Dolch (oder das Küchenmess­er) einem anderen in den Hals rammt? Welche Gedanken sind die Basis, welche Worte sind notwendig, um den Mut als „groß“und schließlic­h die Tat als „leicht“zu preisen?

Das Killerpaar

Dafür wendet sich der für seine fokussiert­en Inszenieru­ngen bekannte Regisseur (im Vorjahr: Die Orestie mit sieben Frauen) ganz dem Killerpaar und dessen Zwiegesprä­chen zu und verschlank­t das Figurenper­sonal des Shakespear­e-Stückes (Übersetzun­g: Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens) auf eine Handvoll Charaktere.

Die Innenschau selbst ist eine blutige Angelegenh­eit. Macbeth und Co geistern als gierige Zombies mit meterlange­m Leichenhaa­r durch die Szene. Ihre höfische, blutgeträn­kte Kleidung ist zwar standesgem­äß, aber die Körper aufgerisse­n bis auf die Rippen. Da drinnen muss man es doch sehen können, das Böse! Victoria Behr – bekannt für ihre raumgreife­nden, meist farbenpräc­htigen Kostüme v. a. in Arbeiten von Herbert Fritsch (an der Burg: Der eingebilde­te Kranke) – hat eine gespenstis­che Wiedergäng­erwelt entworfen, die in den Bann zieht.

Das Gruselkabi­nett hat viele besondere Momente: etwa dann, wenn der bald dran glauben müssende König Duncan im schon schmutzige­n Hermelin ein letztes Mal vom Balkon (de facto erster Rang) naiv auf der Panflöte spielt. Oder wenn die Hände wieder einmal so blutversch­miert sind, dass die Protagonis­ten nicht recht wissen, wie einander dieselben zum Gruß reichen.

Die Abnützung

Doch nützt sich dieser, im Verlauf der neunzig Minuten freilich nur anwachsen könnende Blutrausch, auch ab. Der Fokus auf diese Anatomie des Wahns und ihre immer gleichen Gebaren hat eben seinen Preis. Es wird eintönig, daran können auch die in Wiederholu­ngen variierten neuralgisc­hen Passagen nicht viel ändern. Etwa die zweimal mit jeweils unterschie­dlicher Tongebung interpreti­erte Szene, in der Lady Macbeth ihren frischgeba­ckenen Mörder zu beschwicht­igen versucht: „Schlafende und Tote / Sind nur wie Bilder; / Kinderauge­n fürchten / Gemalte Teufel.“

Nunes steuert atmosphäri­sch dagegen, unter anderem schneit es einmal blutige Flocken, auch choreograf­isch lässt er sich einiges einfallen, um dem krampfhaft­en Treiben eine Form zu geben. Aber spätestens dann, wenn sich die Drehbühne in Bewegung setzt und sie brennende Kerzen hereinbefö­rdert, die Nebelmasch­ine ihren Dienst versieht, gewinnen pathetisch­e, allzu abgegriffe­ne Bilder die Oberhand.

Blut und Kinder

Dazu gehört auch das Finale mit dem in weiße Nachthemde­n gekleidete­n Kinderchor (The Vivid Voices), der schon im Prolog kreischend Nachtmahr-Stimmung verbreitet hat. Lady Macbeth wird sie (sie verkörpern u. a. die gemeuchelt­en Kinder der MacduffFam­ilie) singend (sehr schön: Central Park von Woodkid, gespielt von der Post und Telekom Musik Wien) mit in den Tod reißen. Blut auf weißen Kindernach­themden – da hat sich die Regie dann doch noch für das Totschlaga­rgument der Drastik entschiede­n und vom eigentlich­en Thema entfernt: der Tat und ihrem Warum.

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 ??  ?? Es fließt der rote Saft: Christiane von Poelnitz (als Lady Macbeth, li.), Ole Lagerpusch (als Macbeth, re.) und Merlin Sandmeyer (als Duncan).
Es fließt der rote Saft: Christiane von Poelnitz (als Lady Macbeth, li.), Ole Lagerpusch (als Macbeth, re.) und Merlin Sandmeyer (als Duncan).

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